Kumpel. Künstler. Kunst. Geschichte.

Ärger, Kontroversen, Streit, Diskussionen. Die DDR ist untergegangen, die Kunst aus der DDR sorgt für Aufregung jeder Art.

Das ist seit den 1990er-Jahren so, besonders in Weimar 1999, als vor Gericht über die Hängung von Bildern erbittert gestritten wurde. Die Ausstellung „Schicht im Schacht. Die Kunstsammlung der Wismut – eine Bestandsaufnahme“ läuft in der Neuen Sächsischen Galerie in Chemnitz länger als geplant bis zum 26. Januar. Ab 7. Februar wird sie in veränderter Form in Gera in der Orangerie gezeigt.

Das Besucherinteresse ist groß an der größten Sammlung eines DDR-Betriebes, die von 1959 bis 1989 zusammengetragen wurde. Großformatige Bilder mit Szenen aus dem Arbeitsleben und Porträts von Arbeitern, vor allem Bergleuten, dominieren auf den ersten Blick die Auswahl. Das erste Gefühl: Was sind das für Schinken? Kunst? Bebilderte Geschichte? Gelebtes Leben?

Der Wert der Ausstellung in Gera besteht im ästhetischen Wechselspiel der Werke, dem gesellschaftspolitischen Kontext, der in langen Texten in der Ausstellung nachzulesen ist (noch viel besser im Katalog). Er besteht in einzelnen Bildern und vor allem Grafiken, die für Qualität stehen. Mehr als 100 Arbeiten sind in der Geraer Ausstellung zu sehen von rund 4.200 Werken insgesamt, die zum Bestand der Wismut-Sammlung gehören.

Die Kuratoren um Paul Kaiser, Mathias Lindner und Holger Peter Saupe haben professionell gearbeitet und mit weiteren Experten einen ausgezeichneten Katalog vorgelegt. Sie verklären nichts, aber erklären, ordnen ein, vermitteln Fakten, interpretieren. Mit dem „Bitterfelder Weg“, dem ersten Bild „Der neue Anfang“ von Heinrich Witz und der ersten Kunstausstellung der Wismut im Jahr 1959 beginnt die Bestandsaufnahme. Die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut verfügte drei Jahrzehnte lang über ausreichend Geld und Strukturen, um Kunst und Künstler zu beauftragen, zu fördern, Kunst zu kaufen.

Regelmäßige Künstler-Pleinairs und eigene Kunstausstellungen, Kooperationen mit Kunsthochschulen in Leipzig, Dresden und Weimar, Aufträge zu „gesellschaftlichen Anlässen“ an Künstler, Ankäufe auf dem Kunstmarkt und Schenkungen ließen die Sammlung der Wismut enorm wachsen. Kunstvermittler und Funktionäre kümmerten sich darum, dass sich Kumpel und Künstler regelmäßig begegneten: unter Tage und in Ausstellungen.

Der künstlerische Ertrag ist unterschiedlich. Stolze, glückliche Bergarbeiter und Kollektive sind zu sehen, die Anstrengungen und Mühen des Arbeitsalltags ebenso, in den 1980er-Jahren auch die geschundene Umwelt und Mondlandschaften. Jenseits von Wismut und Bergbau entstanden Akt- und Alltagsmotive, abstrakte Kompositionen, ironische und Historien-Bilder, die ganze Vielfalt von Motiven und Formen.

458 Namen umfasst die Künstler-Liste der Wismut-Sammlung, darunter Protagonisten der Leipziger Schule und der Dresdner Kunstakademie, andere bedeutende, regionale und zu DDR-Zeiten nicht anerkannte Künstler. Eine Auswahl: Theo Balden, Bärbel Bohley, Kurt Hanf, Hans Hattop, Bernhard Heisig, Lutz R. Ketscher, Michael Morgner, Alexandra Müller-Jontschewa, Werner Petzold, Frank Ruddigkeit, Hans Ticha.

Die Autoren erzählen im Katalog spannende Geschichten wie etwa von Bernhard Heisig und seinem wiederholt übermalten Historiengemälde „Die Geraer Arbeiter am 15. März 1920“. Sie blicken in Depots, etwa in Meiningen, berichten über das Wandbild von Willi Neubert, das einst in Suhl hing, Anfang der 1990er-Jahre abgebaut wurde und seit 2011 in dessen Heimatstadt Thale im Harz im öffentlichen Raum wieder zu sehen ist.

In Gera ist jüngst die Absicht öffentlich geworden, die Kunstsammlung der Wismut in einer Stiftung aufzunehmen und ihr eine ständige Heimstatt zu geben. Nach den Turbulenzen um die Zukunft Geraer Museen ist das eine Nachricht, die kontrovers diskutiert werden dürfte. (mip)

Ausstellung in Gera, Orangerie:

07.02. bis 21.04.2014

geöffnet Di-So 11-18 Uhr

Katalog 224 Seiten, ca. 220 Abbildungen, Preis 19,90 €