Auf dem Weg zu einem Ostdeutschen Journalisten-Verband

Der Kollege sitzt in der Redaktion am Schreibtisch. Er kippt vom Stuhl. Herzinfarkt. Zwei Kollegen leisten erste Hilfe. Der Notarzt kommt. Der Kollege wird gerettet. Mittlerweile sitzt er wieder am Schreibtisch und arbeitet.

Eine nicht alltägliche Geschichte aus dem Redaktionsalltag, erzählt von unserer Vorsitzenden Anita gestern auf dem Verbandstag der Journalisten in Eisenach. Zu Beginn diskutiert im Forum mit Professor Karl-Jürgen Bär, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Uni-Klinikum Jena. Hinter einem Burnout verbirgt sich oft eine Depression, die Energie ist aufgebraucht, sagt der Professor und rät: Finden Sie die Balance in der Arbeit und im Leben überhaupt. Das ist leicht gesagt und schwer umsetzbar, zumal in Redaktionen, die Personal abbauen, Personal permanent rotieren lassen, wo Geschäftsleitungen die Arbeit von Kollegen gering oder gar nicht schätzen.

Prof. Bär: Burnout, Depression und die Folgen. Balance finden, aussteigen.
Prof. Bär: Burnout, Depression und die Folgen. Balance finden, aussteigen.

Nicht jammern und abducken, auch mal NEIN sagen und aussteigen, „bei sich bleiben“. „Gute Ratschläge“ und Zwischenrufe im Forum. Das Leben und der Redaktionsalltag sind komplizierter. Ein guter Auftakt, eine wichtige Diskussion, die sensibilisiert für die Gefährdungen und die (Selbst)Wahrnehmung mobilisiert, was geht und was nicht. Schon deshalb hat sich die Fahrt nach Eisenach gelohnt.

Und sonst? Ein Verbandstag mit Themen- und Meinungsvielfalt, Thesen und Perspektiven, einer Zwitscherwand #djvth14, Freundlichkeiten bei Facebook und der Wahl von sechs Delegierten zum Bundesverbandstag Anfang November in Weimar. Ich habe gerade so noch ein Mandat bekommen (bei elf Kandidaten für sechs Plätze trotzdem gut).
Meine lange Bank, auf der es so gemütlich ist, hat im Vorfeld für ein bisschen Aufregung gesorgt, wenigstens was. In der Diskussion habe ich das nochmal bekräftigt: Struktur- und Finanzreform im Bund und in den Ländern, ein Ostdeutscher Journalisten-Verband unter dem Dach des DJV steht auf der Tagesordnung. Es gibt noch mehr Reformbedarf – jetzt.

Der Hessische Landesvorsitzende versteht mich komplett falsch. Der Hauptgeschäftsführer des DJV reagiert mit Floskeln. Das Bundesvorstandsmitglied schweigt (war er schon da?) wie fast den ganzen Tag. Der Berliner Landesvorsitzende Bernd Lammel macht Mut, wir sollen das jetzt anpacken. Erstes Projekt: eine gemeinsame Verbandszeitschrift aller ostdeutschen Landesverbände. Ein mögliches zweites Projekt: die unumgängliche Bürokratie in jedem Landesverband gemeinsam verwalten. Unsere Thüringer Vorsitzende Anita ist noch skeptisch, kein Wunder bei dem Zoff mit den Hessischen Nachbarn um die bisherige gemeinsame Verbandszeitschrift „Blickpunkt“ und einiges mehr.

Bernd Lammel macht Mut für Kooperation. zuerst eine gemeinsame ostdeutsche Verbandszeitschrift. Fotos: mip
Bernd Lammel (vorn) macht Mut für Kooperationen. Zuerst eine gemeinsame ostdeutsche Verbandszeitschrift. Fotos: mip

Die „relative Ruhe“ bei den Zeitungskollegen von TA, OTZ und TLZ „ist nicht befriedigend“, sagt der Jenaer Kollege. Sie seien verunsichert wegen der Umbrüche in den Häusern, Stellenabbau, die Arbeit am Desk (ein großes Geheimnis für mich, die Entfremdung von der Welt da draußen, eine Art Parallelwelt vermute ich). Es soll Haustarifverhandlungen für die Kollegen der drei ZGT-Titel geben. Davon könnte ein Signal in die gesamte Branche ausgehen, für angemessene Arbeitsbedingungen zu sorgen, damit gute Arbeit geleistet werden kann, die ordentlich bezahlt wird.

Das Signal von Eisenach lautet für mich: Machen wir uns auf den Weg zu einem Ostdeutschen Journalisten-Verband. Jetzt. (miplotex)

PS. Der Verbandstag ist „versteckt“ auf der Internetseite des DJV Thüringen.