Max Nehrling in Weimar

Bauhauskünstler in der Rhön

Im Weimarer Weltkulturerbe „Haus am Horn“ wird erstmals Leben und Werk des Bauhauskünstlers Max Nehrling vorgestellt. Er gründete vor 100 Jahren mit Freunden die Künstlerkolonie Föhlritz bei Dermbach in der Rhön.

Bisher waren Name und Werk von Max Nehrling (1887 bis 1957) nur wenigen Bauhaus-Experten bekannt. Zu ihnen gehört Michael Siebenbrodt, der seit vielen Jahren in Dessau und Weimar recherchiert, forscht, publiziert und Ausstellungen kuratiert, der viele Kontakte zu Bauhaus-Erben knüpft und pflegt. Er entdeckte vor zwölf Jahren den komplett erhaltenen Nachlass des Malers und Grafikers. Die Erben übereigneten 2013 große Teile davon an an die Klassik Stiftung und das Stadtmuseum Weimar.

Die von Michael Siebenbrodt kuratierte Ausstellung im „Haus am Horn“, die einzige realisierte Bauhaus-Architektur in Weimar, gibt erstmals einen Einblick in Leben und vor allem das Frühwerk Nehrlings. Er wurde in Poznan geboren, lernte, studierte und arbeitete ab 1899 mit wenigen Unterbrechungen sein Leben lang in Weimar. Die Schau vereint mehr als 90 Exponate, darunter Gemälde, Handzeichnungen, Druckgrafiken, typografische Arbeiten sowie Werke geschätzter Studien- und Künstlerkollegen wie Karl Peter Röhl, Eberhard Schrammen, Walther Klemm, Gerhard Marcks und Erich Heckel. Hinzu kommen Dokumente und Archivalien.

Bereits als Zwölfjähriger beginnt Nehrling in Weimar eine Lehre als Lithograf. Es folgen ab 1908 Lehr- und Wanderjahre, die ihn nach Heilbronn und Brüssel führen. 1911 nimmt er ein Studium an der Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule, dann an der Kunsthochschule Weimar auf. Zu seinen akademischen Lehrern gehören u. a. Henry van de Velde, Fritz Mackensen und Walther Klemm. Nach dem Kriegsdienst wechselt er 1919 „automatisch“ an das neu gegründete Staatliche Bauhaus in Weimar, wo er bei Johannes Itten den Vorkurs und Aktzeichnen belegt. 1921 tritt er über an die neu gegründete Staatliche Hochschule für bildende Kunst Weimar und folgte seinem Lehrer Walther Klemm. Dort erhält Nehrling aufgrund seiner Leistungen ein eigenes Atelier und ein Stipendium.

Frühe Ornament- und Plakatentwürfe zeugen von handwerklicher Begabung Nehrlings während seiner Litografie-Lehre und Wanderjahre. Aus Studienzeiten sind qualitätvolle Aktzeichnungen ausgestellt. 1913 gründet Nehrling mit Gottlieb Krippendorf und Rudolf Riege die Künstlerkolonie Föhlritz bei Dermbach, eine um die Jahrhundertwende verbreitete Reaktion von Künstlern auf die Industrialisierung und das schnelle Wachstum der Städte. Nach dem Krieg folgt 1920 die zweite Gruppe mit Künstlerkollegen des Bauhauses. Die hügelige, ruhige  Landschaft der Rhön wird für Jahrzehnte zum beliebtesten Sujet für Nehrling, schreibt Kurator Michael Siebenbrodt im Katalog.

Blick in die Ausstellung im Haus am Horn in Weimar. Fotos: mip
Blick in die Ausstellung im Haus am Horn in Weimar. Fotos: mip

In der Weimarer Ausstellung ist „die herausragende Werkgruppe aus den Bauhaus-Jahren Nehrlings“ mit Motiven aus der Rhön zu sehen, hebt der Katalog hervor. Dazu gehören Landschaften und Dörfer in der Umgebung von Föhlritz. Das sind vor allem Kohlezeichnungen mit einem Abstraktions- und Konzentrationsgrad, wie ihn Nehrling kaum wieder erreichen sollte, schwärmt der Ausstellungsmacher Michael Siebenbrodt.

Nach der Vertreibung des Bauhauses aus Weimar 1925 fehlt Nehrling die produktive Reibung mit den Moderne-Konzepten. Er richtet sich in der Traditionslinie der Weimarer Malerschule ein. Er kämpft ab 1929 als freier Künstler in Zeiten der Weltwirtschaftskrise und faschistischer Machtübernahme ums Überleben. 1948 malt er eine goldhaarige, nackte junge Frau mit hinter dem Kopf verschränkten Armen, dahinter frisches Grün. Im Kontrast dazu skizziert er eine schwarzhaarige Frau mit durchschnittener Kehle und blutig abgetrennten Armen. Leben und Sterben.

Max Nehrling setzt seine künstlerische Arbeit in der Tradition der Weimarer Malerschule fort, erhält Werkverträge durch den Rat des Bezirkes Erfurt und 1956 eine Ehrenrente für sein künstlerisches Lebenswerk. Er stirbt am 18. September 1957 in Weimar und gerät in Vergessenheit.

Die Ausstellung im „Haus am Horn“ in Weimar ist ein Anfang, Werk und Leben von Max Nehrling öffentlich zu machen. Dazu gehören auch die Künstlerkolonie Föhlritz und die dort entstandenen Arbeiten, die weiter erforscht, publiziert und ausgestellt werden sollten.

Ausstellung „Der Bauhauskünstler Max Nehrling in Weimar“ 
im „Haus am Horn“ | Am Horn 61 | 99425 Weimar
bis 01.11.2015
geöffnet Mi, Sa, So 11 bis 17 Uhr
Ausstellungskatalog, 100 Seiten, 90 Abbildungen, Preis 9,90 Euro

Der Text erschien zuerst im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort.

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