Beate Debus in Meiningen

Die mit dem Holz tanzt

Die Künstlerin Beate Debus hat Welt und Menschen im Blick. Sie ist in Bewegung, gedanklich und physisch, bringt ihre Skulpturen, Plastiken, Reliefs zum Schwingen, Schweben, Tanzen. In einer großartigen Ausstellung in der Meininger Galerie Ada ist das jetzt zu sehen.

Zur Vernissage verrät der Galerist Ralf-Michael Seele die Assoziation, meine Anmutung nach dem ersten Rundgang durch die Ausstellung zwei Tage zuvor. Beate Debus ist eine Künstlerin, die mit dem Holz tanzt. Das war spontan formuliert, das trifft als Metapher auf ihre Ausstellung voll und ganz zu. „Licht Schatten Tanz“, so der offizielle Titel der Personalausstellung, vereint Skulpturen und Reliefs aus Holz, einige Bronzeplastiken sowie Zeichnungen und Papierschnitte. Das sind rund 50 Arbeiten, verteilt auf die vier Räume der Galerie Ada.

Vor der Vernissage. Beate Debus plaudert mit Galerist Ralf-Michael Seele.
Vor der Vernissage. Beate Debus plaudert mit Galerist Ralf-Michael Seele.

„Licht Schatten Tanz“ meint die im Holz geronnene künstlerische Form, den magischen Moment, meint Gedanken, Assoziationen und Interpretationen von dem, was wir sehen und zu sehen glauben. Deshalb auch die spontane Formulierung, „die mit dem Holz tanzt“. Beate Debus konzipiert, zeichnet, entwirft, hat einen Plan im Kopf, wenn sie die „fette Pappel“, den Holzstamm, in die künstlerische Form bringt. Das ist kreative und physisch harte Arbeit mit Werkzeugen, die Lärm und Staub verursachen, wo sie selbst im „Blaumann“ und mit Maske vor dem Gesicht als Mensch „verschwindet“.

Die Skulptur tanzt.
Die Skulptur tanzt.

Der Besucher sieht in der Galerie „nur“ das Ergebnis: die großen Holzskulpturen, oft in Korrespondenz mit Zeichnungen, auch zum Teil sehr große Formate, die filigranen Holzreliefs, die matt schimmernden Bronzen, die nach Holzskulpturen entstehen, die raffinierten Papierschnitte, die in die dritte Dimension vorstoßen. Ein „Konzentrischer Tanz“ ist der erste Blickfang in der Galerie, raumgreifend in eine Nische platziert. Wuchtige Anmutung und doch ein Tanz, gefrorene Bewegung, wie auch die anderen „Tänzer“. Mal verschränken sich die Glieder, die Körper, die Tänzer. Sie flüchten und berühren sich, zärtlich und derb, ineinander verschlungen wie bei einem Liebesakt. Die Augen flanieren durch die Galerie, verweilen da, schauen fragend dort, sehen Schatten und Licht, Kerben und Schraffuren.

Symbole senden Signale aus. Ob Skulptur oder Zeichnung, immer wieder tauchen Kreuze auf, symmetrisch und asymetrisch, farbig oder sich auflösend. Christliches Symbol –  oder? Eher nicht, eher die Anatomie menschlicher Körperproportionen. Beate Debus erkundet Körper und Geist, Physiognomie und Seele, Dynamik und Statik von Menschen. Wie bewegen sie sich? Warum bewegen sie sich? So ein Werktitel wie „Apokalyptischer Tanz“ gibt eine Assoziationsrichtung vor, der man als Betrachter folgen kann, nicht muss.

Eine Werkgruppe in der Galerie Ada widmet sich „Gesicht und Maske“ des Menschen, Ergebnis einer Arbeitsphase mit  Stipendium des Freistaats Thüringen vor zwei Jahren. Daraus entstand eine große Ausstellung in Erfurt, über die ich vor einem Jahr in dieser Zeitung berichtete. Jetzt mit zeitlichem und gedanklichen Abstand wieder betrachtet, wirken die Skulpturen und die von ihnen ausgehenden Assoziationen noch intensiver. Menschen spielen mit ihrem Gesichtsausdruck, verbergen und schützen sich hinter Masken, Gesicht und Maske spiegeln Emotionen.

Einblick in die sehenswerte Ausstellung. Alle Fotos: mip
Einblick in die sehenswerte Ausstellung. Alle Fotos: mip

Die Künstlerin Beate Debus tanzt selbst nicht im Dreivierteltakt Walzer, aber ausgelassen und spontan, wenn sie in Stimmung ist. Sie sucht konzentriert und analytisch nach dem künstlerischen Ausdruck, wenn sie aus dem Holzstamm Tänzer und Tanz formt. Sie zeichnet vorher, was sie nachher, schon längst Gestalt und Seele vor Augen, aus dem Holzstamm herausholen wird. Sie ist seit über drei Jahrzehnten, vor allem seit den 1990er-Jahren, auf einem unverwechselbaren künstlerischen Weg. Sie ist künstlerisch erfolgreich, mit Preisen und Stipendien geehrt. Sie ist kommerziell erfolgreich, Galerien in Frankfurt/Main, Berlin, Dresden, Weimar und Basel verkaufen ihre Arbeiten an Sammler und Institutionen in alle Welt.

Der zweisprachige Katalog, anläßlich der Meininger Ausstellung in Gemeinschaftarbeit von Galerie Ada und „Die Galerie“ Frankfurt am Main entstanden, ist ein sehr schönes Geburtstagsgeschenk für Beate Debus, die bald 60 Jahre alt wird. Das will ich gar nicht glauben, so dynamisch, so voller Ideen und Pläne steckt die Künstlerin. Sie macht einfach „bella figura“.

Notwendiger Epilog zur Städtischen Galerie Ada. Sie ist ein Glücksfall für die Kulturstadt Meiningen, bietet sehr gute Bedingungen für Ausstellungen. Sie befindet sich in bester Lage neben dem Theater und den Kammerspielen, hat vor den Abendvorstellungen geöffnet. Hier gibt es nichts zum Sparen, um den Haushalt der Stadt zu retten. Solche Gedankenspiele verbieten sich in der kleinen Stadt, die großartigen Künstlern wie aktuell Beate Debus eine öffentliche Bühne bieten kann.

Ausstellung in der Galerie Ada
in Meiningen bis 12.02.2017
geöffnet Mi-So und Feiertage 15-20 Uhr

nächste Führungen:
11.12. | 25.12. | 26.12.2016 jeweils 11 und 16 Uhr
Künstlergespräch: 25.01.2017 um 19 Uhr

Katalog zur Ausstellung 28 Euro

Der Text erschien zuerst im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort und im Netz hinter der Bezahlschranke.
Debus FW 2016-11-17

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