Positionen und Perspektiven

Millionendeal für Weimarer Kultur

Die Klassik Stiftung Weimar feiert alljährlich am 16. Februar den Geburtstag von Maria Pawlowna und sich selbst. Vormittags Jahrespressekonferenz mit Fakten, abends  Jahresempfang, wo die Künste und die Kunst der Rede gepflegt werden. Diesmal mit einem Paukenschlag.

Die größte Kulturinstitution Thüringens befindet sich mitten im größten Umbruch seit 1990. Der Alltagsbetrieb in Museen, Parks, Gärten, in Archiv und Bibliothek kostet viel Kraft. Ein personeller Umbruch beginnt gerade. Es wird gebaut und saniert wie nie zuvor. In naher Zukunft sind weitreichende neue Projekte zu stemmen. In dieser Phase will die Stadt Weimar der Stiftung ihre Zuwendung entziehen, aus der Mitfinanzierung und damit aus der Stiftung aussteigen. Es geht um zwei Millionen Euro jährlich.

Die Stadtkasse ist leer, die Zukunft ungewiss, verliere Weimar die Kreisfreiheit, solle der neue Großkreis in die Stiftung eintreten und sie mitfinanzieren. Das Signal ist eindeutig, besitzt Erpressungspotenzial gegenüber Bund und Land, den beiden anderen großen Zuwendungsgebern.

Stiftungsratsvorsitzender Benjamin Hoff redet Tacheles beim Jahresempfang der Klassik Stiftung Weimar.
Stiftungsratsvorsitzender Benjamin Hoff redet Tacheles beim Jahresempfang der Klassik Stiftung Weimar.

Deshalb redete Thüringens Kulturminister Benjamin Hoff, Stiftungsratsvorsitzender der Klassik Stiftung, Tacheles beim abendlichen Jahresempfang.  Von einer „überraschenden kulturpolitischen Rede“ sprach danach der ehemalige Kultursenator von Berlin und aktuelle Präsident der Weimarer Musikhochschule, Christoph Stölzl. Das ist untertrieben. Denn Hoff unterbreitete das Angebot eines Kulturhauptstadtvertrages zwischen dem Freistaat und Weimar, und er machte eine kulturpolitische Rechnung auf.

Weimar soll feste Zusagen machen und langfristig die Klassik Stiftung, das Deutsche Nationaltheater und das Kunstfest mitfinanzieren. Der Freistaat bietet im Gegenzug einen Kulturstadtvertrag an, der dauerhafte und feste Finanzierungszusagen für Weimar enthält. Die Thüringer Landesregierung wird nächste Woche darüber beraten, Hoff will danach mit den Verhandlungen beginnen. Ein Drittel der Kulturausgaben des Landes soll jedes Jahr nach Weimar fließen. Je nachdem, was da noch mitgerechnet wird, zum Beispiel Gedenkstätte Buchenwald, Bauhaus-Universität, Musikhochschule, Musikgymnasium Belvedere und weitere Weimarer Kultureinrichtungen, geht es um eine fixe Summe von über 400 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren.

Hoff rechnete jede einzelne Position vor, sprach vom Privileg eines solchen Angebotes, das keine andere Stadt in Thüringen erhält. Der Millionendeal liegt auf dem Tisch. Ob Weimar verhandelt, ist offen. Die Stadt taktiert, ähnlich wie Eisenach und der Wartburgkreis bei den Theaterverhandlungen. Aber bei der Klassik Stiftung ist der Bund mit zweistelligen Millionen-Zuwendungen mit im Geschäft. Pokert Weimar zu hoch?

Ab 7. April in Weimar zum 300. Geburtstag von J. J. Winckelmann große Sonderausstellung "Moderne Antike".
Ab 7. April in Weimar zum 300. Geburtstag von J. J. Winckelmann große Sonderausstellung „Moderne Antike“.

Die Klassik Stiftung feiert ab 7. April den 300. Geburtstag von Johann Joachim Winckelmann mit der großen Sonderausstellung „Moderne Antike“ in Kooperation mit der Universität Halle-Wittenberg, die ein umfangreiches Forschungsprojekt abschließt. Winckelmann prägte die europäische Ideen- und Kulturgeschichte. Goethe und J. H. Meyer verkürzten Winckelmanns Aussagen zur griechisch-römischen Kunst. In der Ausstellung wird ein „Kabinett der Sinne“ für Kinder und Jugendliche eingerichtet. Eine Schülertagung widmet sich „Schönheitsvorstellungen“ heute. Die zweite große Sonderausstellung „Wege aus dem Bauhaus. Gerhard Marcks und sein Freundeskreis“ präsentiert ein Künstlernetzwerk, das mit der Gründung 1919 entstand und bis in die USA reichte.

Der rohbau für das neue Bauhaus Museum wächst. Alle Fotos: mip
Der Rohbau für das neue Bauhaus Museum wächst. Alle Fotos: mip

Auf der Baustelle des neuen Bauhaus-Museums drehen sich Kräne und Bauarbeiter. Der Rohbau soll Ende 2017 stehen. Im Herbst 2018 beginnt die Einrichtung des Museums, das pünktlich zum 100. Geburtstag im April 2019 öffnen soll. Die andere große Baustelle, das Stadtschloss, wird 2018 eröffnet. Die Arbeiten sollen im Frühjahr 2022 beendet werden. Die Investitionen beider Projekte liegen bei 65 Millionen Euro. Das Goethe-Wohnhaus wird ab 2019 für ca. 10 Millionen Euro saniert und muss deshalb schließen. Das Museum nebenan bleibt geöffnet. Die Besucher strömen zuverlässig in die Weimarer Museen, Parks, Gärten, ins Goethe-Schiller-Archiv und in die Amalia-Bibliothek. 750.000 Besuche wurden 2016 gezählt.

Vom Geist und Image der Weimarer Klassik und Kultur überhaupt, von solchen Zahlen und Fakten kann und darf sich die Stadt nicht distanzieren oder gar verabschieden.

WE KSW Vertrag JPK FW 2017-02-20Der Beitrag erschien zuerst im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort.

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