Digitales-Analoges entdeckt

DigiTour17 im Krämerloft

Vier Stunden habe ich mir Zeit genommen, um MdL Madeleine Henfling auf ihrer #DigiTour17 zu begleiten, neue lebendige Menschen, neue virtuelle Räume und neue Fragen kennenzulernen. Vor allem zuhören und zusehen will ich.

Die DigiTour17 führt nach Erfurt in das(?) Krämerloft. Auf der Facebookseite steht „Arbeitsplatz & Büro“ und weiter „Coworking – und Networking für eine optimale Work-Life-Integration“. Das „Bürohaus“ ist eine alte Bude in der Bahnhofstraße in Erfurt, hergerichtet mit der notwendigen Infrastruktur: W-Lan, Kinderspielzimmer, Bar, Kaffeeküche und Räumen, wo man sich treffen kann. Die englischen Bezeichnungen lasse ich hier mal weg, das irritiert nur.

Zuerst ein kurzer Rundgang. Alle kennen sich offenbar, nur ich bin irgendwie neu und ein Fremdkörper, werde aber geduldet. Madeleine Henfling kennt mich, das genügt wohl. Das Haus bietet Büros auf Zeit mit einem morbiden Charme und für den Ideen-Gedanken-Austausch zwischen den so unterschiedlichen Einzelkämpfern hier: Fotograf, Architekt, eine Umweltorganisation, letztens waren Digitalnomaden aus Holland für ein paar Stunden hier.

Bar und Küche und Kommunikationsraum im Krämerloft in Erfurt.
Bar und Küche und Kommunikationsraum im Krämerloft in Erfurt.

Ich habe mit das angeschaut und gegrübelt und gedacht: Das ist nichts für mich. Zu dunkel, zu ungemütlich, zu unpersönlich, zu wenig Tageslicht. Ich brauche die Einsamkeit meiner Schreibstube, das helle Licht und den Blick in den grünen, blühenden Garten. Wer im Krämerloft glücklich arbeiten und leben kann, der soll´s tun.

Zweiter Teil des Abends: Film gucken. „Democracy“ von Jan Philipp Albrecht über das schwierige politische Geschäft, für Europa eine Datenschutzverordnung zu stricken, die möglichst viele Interessen berücksichtigt. JPA, wie er genannt wird, ist ein junger, grüner Digitalexperte und Mitglied des Europäischen Parlaments, der Berichterstatter für das EU-Projekt geworden ist. Das heißt, er und seine „Schatten“-Mitarbeiter leiten, diskutieren und koordinieren den ganzen politischen Prozess, wie aus einem Entwurf eine von der Mehrheit akzeptierte Verordnung wird. Der 100-minütige Dokumentarfilm erzählt das in einer bemerkenswerten Nahsicht und Offenheit. Aber hier habe ich meine Zweifel am dokumentarischen Charakter des Films. Manche Szenen erscheinen mir gestellt und gespielt, etwa wenn JPA mit Lobbyisten spricht und die gegensätzlichen Interessen aufeinanderprallen.

In der Sache selbst kann ich nicht so viel mitdenken und mitreden. Datenschutz ist ein Mega-Thema, dass den aktiven, selbstbewussten und selbstständig denkenden Bürger braucht. Da ist viel Fatalismus im Spiel nach dem Motto: Kann ich sowieso nichts dran ändern, wenn ich mich im Internet bewege, was einkaufe oder mich informiere. Na ja, ich gebe nur so viele Daten von mir heraus wie nötig.

MdL Madeleine Henfling (links) und Gäste schauen "Democracy". Fotos: mip
MdL Madeleine Henfling (links) und Gäste schauen „Democracy“. Fotos: mip

Die europäische Datenschutzverordnung (hoffentlich habe ich das so richtig formuliert) tritt im Frühjahr 2018 in Kraft. Wie mit jedem Gesetz, jeder Verordnung, jeder Regel: Sie sind nur so gut, wie sie von Menschen und Institutionen akzeptiert und gelebt, vom Gesetzgeber oder einer anderen Instanz kontrolliert werden. Da bin ich skeptisch, wie Datenschutz von wem auf Einhaltung kontrolliert werden kann.

Teil 3 des Abends ist eine Diskussion über den Film, über Medienbildung, -pädagogik, -kompetenz und das Spielen im Netz und mit dem Netz. Oder habe ich mich jetzt schon wieder verheddert? Denn ich schreibe diesen Text aus der Erinnerung, was ich auf meiner Festplatte im Oberstübchen gespeichert habe. Das ist eine sehr muntere, anstrengende und bisweilen mich nervende Diskussion. Der Reihe nach.

Ein junge Professor der Ernst-Abbe-Hochschule FH Jena, Martin Geisler, redet mit einem Wahnsinnstempo und überquellendem Gedankenfluss über…, ja über alles Mögliche und Unmögliche: Internetspiele, Schüler in ihren Lebenswelten abholen (Kann ich nicht mehr hören. Wer holt mich in meiner Lebenswelt ab? Aber das will ich auch nicht.), wissenschaftliche Studien und Bücher, geforderte und überforderte Lehrer, digitale Plattformen, die den Schulstundenausfall des nächsten Tages ankündigen und noch ein paar relevante, absonderliche und absurde Themen mehr. Als ob die jungen Leute und überhaupt die Menschen nur noch in der digitalen Welt leben und kommunizieren.

Das Schöne an der Diskussion: Sie findet in der analogen Welt zwischen lebendigen Menschen statt, nicht in einem Chatroom, um mal so ein absonderliches Wort zu verwenden. Wie schon erwähnt: Ich habe vor allem zugehört und zugesehen, habe eine Menge gelernt, eine Menge nicht verstanden, vor allem, wenn es um irgendwelche Computerspiele ging.

Was mir bei allem (gedanklichen) Flanieren in der digitalen (und analogen) Welt zu kurz kam: bewusst und souverän mit Zeit umgehen, auch mit der Zeit der Anderen. Irgendwann bin ich dann aus dem Krämerloft gegangen. Genug ist genug. Es waren vier gute, nachdenkliche, nervige Stunden, wie das halt in der analogen und digitalen Welt ist. Dafür DANKE an Madeleine Henfling und das Krämerloft.

Ich bleib bei meiner Maxime: Wer online geht, muss auch offline sein.

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