Erfurter Signal

… für enge Zusammenarbeit

Selbstbewusst senden die Stadt und das Theater Erfurt ein Signal nach Weimar. Sie wollen mit dem Deutschen Nationaltheater enger, möglichst unter einem institutionellen Dach, zusammenarbeiten.

Öffentliche Debatten über die Zukunft von Theatern und Orchestern in Thüringen haben ihre eigene Dynamik. Am Montag Abend sorgte Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff im Theater Erfurt mit einem spontanen emotionalen Ausraster für schlechte Stimmung. Der Minister unterstellte dem Erfurter Publikum, „mit Häme und Spott über Weimar zu sprechen“. In Weimar sei das zuvor über Erfurt nicht der Fall gewesen. Das kann man als Beobachter beider Debatten auch anders sehen.

Na klar, Theater ist immer mit Gefühlen verknüpft für die betroffenen Mitarbeiter und für das Publikum vor Ort. Ein Minister muss das ganze Land und die ganze Kultur im Blick haben. Aber er sollte sich öffentlich emotional beherrschen können.

Erfurter Ansage Richtung Weimar: Wir wollen zusammenarbeiten. Fotos: mip
Erfurter Ansage Richtung Weimar: Wir wollen zusammenarbeiten. Fotos: mip

Die Stadt Erfurt, vertreten durch Kultur-Bürgermeisterin Tamara Thierbach, sendete klare Signale nach Weimar: „Wir können sehr wohl kooperieren. Wir brauchen eine tatsächliche Perspektive 2025 für unser Philharmonisches Orchester und die Oper.“ Generalintendant Guy Montavon brachte es auf die Formel: „Ich empfehle dringend eine institutionalisierte Zusammenarbeit mit Weimar.“ Im Hintergrund laufen viele gute Gespräche zwischen den Intendanten, den Kulturausschüssen beider Städte, zwischen den Betriebsräten beider Theater.

Und öffentlich, so die Wahrnehmung, herrscht Stillstand, werden emotionale und mentale Mauern hochgezogen, wird Stimmung gemacht, um vermeintliche Besitzstände zu wahren. Minister Hoff twitterte nach der Erfurter Debatte: „Es bewegt sich was in der Mitte.“ Das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf der öffentlichen Bühne zumindest für die scheinbar zementierte Weimarer Position nur schwer erkennbar.

Kulturminister Hoff zwitschert und sieht Bewegung. Screenshot: mip
Kulturminister Hoff zwitschert und sieht Bewegung. Screenshot: mip

Die Erfurter Debatte machte deutlich, drei Modelle liegen auf dem Verhandlungstisch, um in der Mitte Thüringens die Theaterfrage zu lösen. Die Thüringer Staatskanzlei, zuständig für Kultur, präferiert ein Thüringer Staatstheater Weimar-Erfurt, die Bündelung aller Sparten in Weimar und Erfurt unter dem Dach einer Holding. Diese würde den Theater-, Orchester- und Opernbetrieb in beiden Städten gewährleisten.

Screenshot: mip
Screenshot: mip

Das zweite Modell, bevorzugt vom Theater Erfurt, sieht eine Theatergemeinschaft Weimar-Erfurt vor, vergleichbar der Deutschen Oper am Rhein. Dort existiert seit 1956 eine „Theaterehe“ in Form einer gemeinnützigen GmbH mit drei Gesellschaftern. Zwei Städte, Düsseldorf und Duisburg, zwei Theater, zwei Orchester, 586 Mitarbeiter, über 280 Vorstellungen jährlich auf beiden großen Bühnen, die zusammen über 2.400 Plätze verfügen, jährlich 250.000 Besucher. Die aktuellen Zahlen von Weimar und Erfurt addiert: ca. 700 Mitarbeiter, ca. 2.000 Plätze auf allen Bühnen, ca. 900 Vorstellungen jährlich mit 293.000 Besuchern in der Spielzeit 2013/2014.

Die dritte Variante, von Weimar ins Spiel gebracht, lautet DNT kompakt. Das Konzept von Intendant Hasko Weber, hinter dem die Stadt Weimar steht, ist nicht veröffentlicht, wird aber öffentlich diskutiert (Freies Wort vom 17.12.2015).

Jetzt bleiben noch etwa 100 Tage, um hinter verschlossenen Türen unterschriftsreife Theaterverträge zwischen dem Land und den Theaterträgern vor Ort auszuhandeln. Parlamente müssen, Gewerkschaften u. a. Interessenvertretungen der Theater und Orchester wollen beteiligt werden. Da werden garantiert wieder Informationen und Spekulationen öffentlich lanciert werden.

Also Ruhe und Nerven bewahren, entschlossen handeln. „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen.“ Eine Ansage aus Weimar von einem Herrn Goethe.

Der Text erschien heute im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort, hinter der Bezahlschranke.

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