Darauf muss man erst mal kommen. Hinter der grauen, markanten Fassade verbirgt sich ein Museum, der Erweiterungsneubau des Deutschen Spielzeugmuseums Sonneberg.
Wie ein gewaltiger Schiffsbug durchschneidet der futuristische Baukörper das Hinterland der beiden historischen Gebäude. Die Monumentalität des Neubaus wird sichtbar, wenn man sich von der rückwärtigen Seite dem Ensemble aus Alt und Neu nähert. Aber das ist der „falsche Zugang“ zum Museum. Es geht jetzt zwischen den Altbauten mit ihren „Narben“ an den Fassaden, den Abbruchkanten, hindurch in den Neubau und damit ins Museum.
Der Standort des Neubaus und damit der neue Haupteingang in den Museumskomplex erscheint höchst problematisch. Die repräsentative Schauseite des neobarocken alten Museumsbaus mit seiner Hanglage und Sichtachse zur Stadt wird damit entwertet. Besucher suchen den Eingang an der Schauseite des alten Museums unter dem Kopf von Georg II. und stehen vor einer verschlossenen Tür.
„Architektur bewegt“, lautete das Motto des Tages der Architekturen am vergangenen Wochenende. Über Architektur lässt sich trefflich streiten, und das beginnt mit dem Standort des Bauwerks. Der Erweiterungsneubau für das Deutsche Spielzeugmuseum wirkt deplatziert im Kontext zu den beiden Altbauten, dem „alten“ Museum und der ehemaligen Handelsschule. Funktional erschließen zwei Brücken des Neubaus die Altbauten, vor allem das ehemalige (?) Hauptgebäude, das barrierefrei erreichbar ist.
Der Neubau zeigt klare Kante, innen wie außen. Im Haupteingangsbereich mit Shop wird das besonders deutlich, weil die spitz zulaufende Kante des zentralen Podestes für Bücher und andere Artikel bis in die Spielecke reicht, potenziell gefährlich für Kinder, aber auch Erwachsene. Hinzu kommt das im Neubau dominierende, leuchtende Weiß: vom Fußboden über die Wände bis zu den Decken. Beim Betreten des Hauses fühlt man sich geblendet. Und irgendwann kommt die Frage: Wer soll das alles wie oft putzen? Denn die Besucher hinterlassen sichtbare Spuren.
Im Neubau selbst kann man schon mal die Übersicht verlieren trotz der dezenten „spielerischen“ Wegweiser. Vom Neubau in den Altbau und zurück führt der Rundgang zum Höhepunkt, der Schaugruppe „Thüringer Kirmes“. Sie wird jetzt räumlich und gestalterisch angemessen sowie gut klimatisiert den Besuchern präsentiert. Allerdings stehen einige Figuren in Reichweite der Besucher. Ob das so gewollt und gut ist?
Um das hier ganz deutlich zu machen. Die ca. 6.000 Objekte in der überarbeiteten und neu gestalteten Dauerausstellung lohnen allemal den Besuch. Die Spielecken im Neu- und Altbau verführen Kinder und Erwachsene. Der kleine Kinosaal mit Einführungsfilm und die Videowand mit historischen Dokumenten gehören in ein modernes Museum. Die Museumsmitarbeiter um Reinhild Schneider haben unter schwierigen Bedingungen eine sehr gute Arbeit abgeliefert.
Dennoch bleibt festzustellen, dass Architekt und Bauherr nicht oder nicht genügend musealen Sachverstand einbezogen haben. Der Neubau muss erst noch den Praxistest bestehen. Vor allem müssen jetzt die nächsten Bauabschnitte in Angriff genommen werden. Ein Gesprächsangebot des Landes liegt dem Landkreis als Museumsträger vor, ein schlüssiges Museumskonzept ebenso. Die Kompetenz der Museumsfachleute muss zwingend in die weitere Sanierung des Deutschen Spielzeugmuseums Sonneberg einbezogen werden. (miplotex)
Eine Textfassung des Beitrages veröffentlichte die Tageszeitung Freies Wort in der gedruckten Ausgabe, als ePaper und im Internet hinter der Bezahlschranke.