Im Rückblick

Mund verbieten und maßregeln

Da wollen sie alle feiern und dann wird der Chef des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt vom Kulturdirektor der Stadt Erfurt öffentlich zur Sau gemacht. „Pfui und Buh“ rufe ich hier im Rückblick.

Letzten Mittwoch Abend, Förderverein und Stadtmuseum Erfurt haben zum Sommerfest eingeladen, um ein doppeltes Jubiläum zu feiern. Vor 40 Jahren öffnete das „Museum für Stadtgeschichte“, vor 20 Jahren wurde das „Stadtmuseum Erfurt“ neu eröffnet. Der amtierende Direktor Hardy Eidam begrüßt artig alle Gäste, darunter Abgeordnete von Stadt und Land und solche, die es werden wollen. Etwa 150 Museumsfreunde sind gekommen.

Tobias Knoblich, seit 2012 Kulturdirektor der Stadt, wird mit einem Grußwort angekündigt. Erst spricht er frei, holt dann einen Zettel raus mit der Ansage, jetzt den Chef des Fördervereins Stadtmuseum Erfurt, Dr. Steffen Raßloff, persönlich kritisieren zu wollen. Im Namen des Fördervereins hatte Raßloff, ein anerkannter Historiker und Publizist, in der Tageszeitung Thüringer Allgemeine die Stadtverwaltung kritisiert.

Thüringer Allgemeine Erfurt vom 10.09.2014 mit der Kritik von Steffen Raßloff.
Thüringer Allgemeine Erfurt vom 10.09.2014 mit der Kritik von Steffen Raßloff.

Zur Vorgeschichte: Seit Wochen kursiert der Name Dr. Anselm Hartinger als designierter Chef der Erfurter Geschichtsmuseen durch die Stadt und die Medien. Diese herausgehobene Stelle und Top-Personalie wird neu geschaffen, die Ausschreibung durch die Stadt erfolgte vor einem Jahr.

Tageszeitung Thüringer Allgemeine vom 18.08.2014 berichtet erstmals über die Personalie Hartinger.
Tageszeitung Thüringer Allgemeine vom 18.08.2014 berichtet erstmals über die Personalie Hartinger. Fotos/Repros: mip.

Steffen Raßloff erlaubte sich nun, im Namen des Fördervereins, berechtigte Fragen nach der fachwissenschaftlichen Kompetenz des designierten Direktors und dessen Leitungserfahrungen zu stellen. Kriterien, die in der Ausschreibung der Stadtverwaltung Erfurt ausdrücklich genannt werden.

Beides gefällt Kulturdirektor Knoblich an dem Abend überhaupt nicht. Das sagt er ganz deutlich mit cholerischer Stimme: „Ich habe mich geärgert!“ Dass die Personalie durchgesickert ist und dass sich Raßloff dazu öffentlich und kritisch äußert. Er unterstellt Raßloff so einiges: er hätte behauptet, die Stadtverwaltung würde nicht ordentlich arbeiten, er würde den designierten Direktor vorverurteilen und noch einiges mehr. Knoblich poltert im Ton und will dem Bürger Raßloff und damit dem Förderverein die freie Meinungsäußerung verbieten. Er macht den Chef des Fördervereins vor 150 Menschen, die feiern wollen, öffentlich zur Sau. Unglaublich, unerhört.

Freie Meinung? Etwa noch kritisch gegenüber der Stadtverwaltung? Nein, das verbitte ich mir! So hat das Herr Knoblich nicht gesagt, aber gemeint. Die Thüringische Landeszeitung bewertet das hinterher in einem Bericht so, dass Knoblich den „Vorsitzenden Steffen Raßloff maßregelte und ihm mangelnden Respekt gegenüber dem Auswahlverfahren und dem Kandidaten vorwarf.“ Maßregelte. Ja wo leben wir denn?

Steffen Raßloff weist die Kritik Knoblichs als ihm nachfolgender Festredner in aller Form an dem Abend zurück. Er will eigentlich über das Doppeljubiläum des Museums sprechen, dem er sich und viele andere Museumsfreunde so verbunden fühlen. Er redet dann auch darüber, aber die Stimmung ist hin.

Der Auftritt von Knoblich ist ein Thema des Abends und der folgenden Tage. Hat sein Auftritt Folgen? Die anwesenden Abgeordneten des Stadtrates haben ja alles gehört und gesehen. Die anwesende Kulturdezernentin und Erfurter Bürgermeisterin, Dienstvorgesetzte von Knoblich, schweigt an dem Abend und am Tag danach, als die Personalie Hartinger von ihr offiziell bekanntgegeben wird.

Aber vielleicht sehe ich das alles zu kritisch? Aus meiner Parallelwelt? Nee. Ich rufe, auch wenn´s keiner hört: „Pfui und Buh“, Herr Kulturdirektor! So geht man nicht mit Kulturbürgern und ihrem gewählten Vorsitzenden um.

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