Alten Weibern im Spätsommer auf der Spur. Wandern im Weimarer Land. Nur gut, eine menschenverlassene Gegend.
Wo liegt Drößnitz? Noch nie gehört. Aber gelesen in einem Wanderverführer von Heinz und Ursula Härtl „Wege um Weimar“. Am Feiertag dem Feiern entsagen und wandern durch Wald und Feld. Den Kopf durchlüften, laufen, wandern, 16 oder 17 Kilometer.
Start in Drößnitz, einem Ortsteil von Blankenhain im Weimarer Land. Im Dorf herrscht Ruhe. Die Wanderverführer, die Härtls, versprechen „eine der schönsten Wanderungen, mit Ausblicken und Wegen, die an prächtigen Hecken entlang führen …“ und so weiter. Wir werden sehen.
Die Gegend kommt uns herrlich vor, weil der Spätsommer mit Sonne satt uns über das Feld hinter Drößnitz begleitet. Kein Mensch, nirgends. Das soll so die ersten zweieinhalb Stunden bleiben. Die Felder sind weitgehend abgeerntet, ein paar Rehe holen sich die Reste. Überhaupt sehen wir den ganzen Weg entlang einen Jägerstand und noch einen Hochsitz und noch so einen hölzernen Ausguck nach dem anderen.
Die Landschaft ist leicht wellig, Kalkhänge als Hingucker, Kiefernwald, Nadelwald, Laubwald und Hecken ohne Ende. Bis zur Leuchtenburg nur ein Katzensprung von vielleicht 15 km. Laufen ist hier eine leichte Übung, na ja, wir wandern, also Tempo 4 bis 5 km/h.
Im Gesicht verfangen sich feine Fäden. Die alten Weiber im späten Sommer umgarnen mich. Ich mag das nicht, jedenfalls nicht die feinen Fäden im Gesicht. Die Stille auf dem Weg genießen wir, kein Grundrauschen wie in der Stadt, schon gar kein Lärmen oder Brüllen, das viel zu oft zum Alltag gehört.
Unser Weg führt von Drößnitz nach Drößnitz über Felder, durch Wälder, eine Hohe Straße, eine Stück über den Lutherweg, vorbei an einem Spaal und Spaal-Haus. Die Hohe Straße ist eine alte Verbindungsstraße von Orlamünde nach Erfurt. Hier leuchtet an Bäumen das „L“ als Markierung für den Lutherweg . Der Spaal oder das Spaal steht für ein Rundangerdorf, das vom 14. bis 16. Jahrhundert existierte. Heute ist das Areal ein Bodendenkmal. Ein einsames, verlassenes Spaal-Haus mit einer wunderbaren, kitschigen Fassadenmalerei steht im Wald herum.
Ein paar Schritte entfernt entdecken wir, umgeben von zig Holzbänken, ein „Steinkreuz Schmieden“. Daneben lesen wir: „Ein unschuldig Verurteilter sollte seine Hand zum Abschlagen, mit einem Schwert, durch das Loch im Kreuz stecken. Das Richtschwert verfehlte jedoch den Arm und traf stattdessen den Stein, worauf es abprallte und denjenigen tötete, der das Fehlurteil gesprochen hat.“ Geschichte im Wald über eine vermutliche Gerichtsstätte aus dem Bauernkrieg 1524/25.
Wieder über Felder, der Weg endet am Ausgangspunkt. Zwei herrlich ausladende Linden ziehen unsere Blicke an. Im Wanderverführer dienen sie als Wegmarkierung. Die Sonne kitzelt uns immer noch. Altweibersommer am 3. Oktober im Weimarer Land.