Andreas Bausewein, Oberbürgermeister Erfurt

Soziale Medien? Nein, danke

Habe ich mich verhört? „Ich lasse über Facebook twittern.“ Das ist kein Versprecher von Andreas Bausewein, Oberbürgermeister von Erfurt und SPD-Chef in Thüringen.

Andreas Bausewein: „Ich lasse über Facebook twittern.“ Huch.
Andreas Bausewein: „Ich lasse über Facebook twittern.“ Huch.

Na ja, das geht schon, über Facebook twittern, wenn beide Plattformen miteinander verlinkt sind. Andreas Bausewein lässt bei Facebook eine Fanpage unter seinem Namen bespielen. Mit Twitter ist die nicht verlinkt. Bei Twitter ist Bausewein nicht präsent, habe ich recherchiert.

Was meint er dann? Andreas Bausewein sitzt in Erfurt auf einem Podium der Thüringer Landesmedienanstalt TLM und soll über „Kommunikation in der Bürgergesellschaft – Veränderungsprozesse einer digitalen Medienwelt“ mitreden. Zugegeben, das ist ein verschwurbelter Titel. So verschwurbelt, so verschnarcht beginnt auch das Podiumsgespräch, das Bausewein erst mal alleine bestreitet. Und mit dem eingangs zitierten Satz irritiert. Den haben, Zuhören will gelernt sein, auch andere im Podium und Publikum gehört. Und grübeln darüber.

Bausewein berichtet über seinen Medienkonsum. Er ärgert sich über einen Bericht in der papiernen Lokalzeitung. Er liest den Rathaus-Pressespiegel, schön vorsortiert. Er verfolgt im Internet SPON, also Spiegel online. „Ich lese keine elektronischen Kommentare im Netz.“ Punkt. Da kommentieren, intrigieren, denunzieren nur anonyme Menschen, ist Bausewein überzeugt.

Na ja. Das stimmt und stimmt nicht. Im Netz sind genauso viele Verrückte und Normale unterwegs wie im richtigen Leben, also in der analogen Welt, ist meine Erfahrung als Intensivnutzer des Internets und überhaupt von Medien aller Art. Herr Bausewein sollte sein Vorurteil mal in der digitalen Wirklichkeit überprüfen. So viel Zeit muss sein.

Die Bürger im Publikum dürfen irgendwann Fragen stellen. Es geht ja um Bürgerbeteiligung, das Modewort heißt Partizipation, und so was. Erste Frage vom Bürger P., der auch bloggt: „Warum ist die Erfurter Stadtverwaltung nicht in den sozialen Medien präsent?“

„Das kostet Geld, das kostet Zeit, das braucht qualifiziertes Personal“, antwortet der Rathaus-Chef. Stimmt, das ist anspruchsvoll, anstrengend und aufwendig. Bausewein fügt hinzu: Der Deutsche Städtetag rät ab von Facebook und solchen sozialen Medien. Da muss ich doch mal nachrecherchieren.

Tatsächlich hat der Deutsche Städtetag im Februar 2014 „Leitlinien zur Kommunikation der Städte im Bereich Social Media“ verabschiedet. Darin werden Chancen und Gefahren im Umgang mit Sozialen Medien genannt, praktische Handlungsanleitungen gegeben. Der Städtetag empfiehlt, „Social-Media-Aktivitäten der Städte in die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einzubinden und sie deshalb im Presseamt zu koordinieren und zu steuern.“

TLM-Chef Fasco (am Mikrofon): „In fünf Jahren ist Herr Bausewein (vorn) in den sozialen Medien.“ Wie war das? Wer zu spät kommt … Fotos: mip
TLM-Chef Fasco (am Mikrofon): „In fünf Jahren ist Herr Bausewein (vorn) in den sozialen Medien.“ Wer zu spät kommt … Fotos: mip

Also, Herr Bausewein, Sie scheuen den Dialog mit Bürgern im Netz, speziell in den sozialen Medien, weil Sie das nicht wollen und nicht verstehen. Das ist meine Meinung, die Sie mir aufdrängen. Das ist schade, denn gerade in den letzten Tagen diskutieren Hunderte von Bürgern bei Facebook über den 30.000-Euro-Poller und die 30-Millionen-Euro-Multifunktionsarena in Erfurt heftig mit Pro und Contra. Da sind tatsächlich ein paar verrückte, unsachliche, auch hoch emotionale Kommentare darunter. Aber das müssen ein Stadtoberhaupt und eine Stadtverwaltung aushalten.

Im Gegenteil. Sie müssen doch spüren und wissen, wie die Bürger ticken, was ihnen stinkt und was sie lebens- und liebenswert an ihrer Stadt finden. Na klar, es gibt noch andere Formen des Dialogs mit den Bürgern, die klassischen Medien, die sie so lieben und bespielen, das direkte Gespräch mit Bürgern, wenn Sie welche treffen, die den Mund aufmachen (Anmerkung: die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Erfurter Stadtverwaltung träumt vor sich hin, aber das ist ein neues Thema).

Jetzt ist Schluss, der Text ist schon viel zu lang. Ich hoffe, Sie ändern sich noch mit ihren 41 Jahren, ich meine ihr Verhältnis zur digitalen Medienwelt. Sie sind doch ein Hoffnungsträger ihrer Partei, schreiben Zeitungen. Das ist auch in sozialen Medien zu lesen.

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