Macbeth in Meiningen

Könige von Gestern und Morgen

Macbeth tötet, der Gute. Macbeth mordet, der Böse. „Macbeth“ in Meiningen ist ein netter Theaterabend mit Mord, Verrat und Wahnsinnigen. Gelacht wird auch.Der Dudelsack tönt, wir sind in Schottland. Es kracht und knallt, blitzt und donnert, dunkle Gestalten rufen etwas in die Nacht. Ein Spektakel für alle Sinne, das schwatzende Publikum kommt langsam zur Ruhe. Die Premiere von „Macbeth“ letzten Freitag Abend im „Meininger Staatstheater“ (seit wann heißt das so?) beginnt verheißungsvoll. Die Inszenierung von Oberspielleiter Lars Wernecke verspricht am Anfang viel, es wird ein netter Theaterabend.

Die Hexenszene packt das Publikum. Die Töne und Worte rauschen und hallen nur so um die Ohren. Was wird da geredet? Vorhergesagt? Schwebt der bekannte Satz durch den Raum, der dem Abend die Richtung geben sollte? Das Paradoxon, das sich nicht auflösen lässt? „Fair is foul and foul is fair“, tönen die Hexen bei Shakespeare. Frank Günther übersetzt das mit „Recht ist schlecht und schlecht ist recht.“ In Meiningen nehmen sie die Übertragung von Thomas Brasch. Im Toben der Nacht geht der Schlüsselsatz verloren. Vielleicht ist er gar nicht ertönt?

Macbeth, der Gute, hat einen Verräter getötet. Die drei Hexen prophezeien ihm Titel und Karriere, er werde der „König von Morgen“. Macbeth, der Böse, wird morden wider Willen und um der Macht willen, um König zu werden. Wie so oft in Shakespeares Dramen geht es um Macht und Liebe, Verrat und Intrigen, Mord und Wahnsinn. In „Macbeth“ scheitern die scheinbar Mächtigen. Das ist das Prinzip: Scheitern, weil sie durch Mord an die Macht kommen.

Die Tage des alten Königs Duncan (Hans-Joachim Rodewald) sind gezählt. Noch trägt er die Krone, schon greift er sich an die Brust, noch schlägt sein Herz. Er bestimmt seinen Sohn Malcolm (Björn Boresch) als seinen Nachfolger. Macbeth, der Gute, der den Verräter tötete, bekommt die Titel Than von Glamis und Than von Cawdor verliehen. Zwei der drei Prophezeiungen der Hexen erfüllen sich. Da kommen ein Brief, ein Besuch und die Lady Macbeth ins Spiel.

Macbeth und Lady Macbeth, das ist das Duo Infernale des Abends. Sie sind vielleicht ein Liebespaar. Sie sind in jedem Fall gegenseitig Antreiber und Bremser des mörderischen Plans auf dem Weg zur Macht und zur Verteidigung der Macht. Die Lady, Evelyn Fuchs im hochgeschlitzten Glitzerkleid, puscht sich emotional für die blutige Tat auf. Macbeth, Sven Zinkan, zögert und zweifelt, er ist noch nicht bereit zum Königsmord. Was treibt die Beiden wirklich an? Macht gewinnen und Macht verlieren? Der alte König ist tot. Es lebe der neue König. Das blutigen Mörderhände werden einfach abgewaschen.

Das ist alles irgendwie absehbar, erwartbar, was da auf der Bühne passiert. Das um sich greifende Misstrauen, die Mordaufträge, die Morde, die falschen Verdächtigen, die neuen Verbündeten gegen den neuen König Macbeth, die dem Wahnsinn verfallende Lady Macbeth. Der theatralische Sog der ersten Minuten flackert nur hin und wieder auf. Ein ausschweifendes Staatsbankett? Das fällt mager aus. Die beiden Duelle von Macbeth um Leben und Tod? Da passiert etwas auf der Bühne, ist eine Choreografie erkennbar. Der Schlüsselsatz, „nicht von einem Weib geboren“, wie die Hexen einst prophezeiten, geht unter im tödlichen Duell. Todeskampf? Hinter mir im Publikum wird gelacht. Wie auch bei der ausufernden Szene mit dem Pförtner, Renatus Scheibe, ein komödiantisches Kabinettstückchen in dieser Tragödie.

Das kürzeste Drama von Shakespeare inszeniert Lars Wernecke über drei Stunden lang, oft statisch, Texte werden auch genuschelt und gelispelt. Die Schauspieler werden zu selten gefordert zu SPIELEN. Die Gestalten in Uniformen sind oft verwechselbar, austauschbar. Wer mit der Geschichte nicht so vertraut ist, verliert schon mal in der Inszenierung die Übersicht mit ihren ca. 30 Rollen von Macbeth bis zum Boten, 14 Schauspieler stehen auf der Bühne.

Das Bühnenbild in Meiningen ist ein hybrider Raum, gebaut von Christian Rinke (auch Kostüme) und virtuell erweitert von Stefano Di Buduo. Was ist das für eine wunderbare Idee und gekonnte Umsetzung, die physische mit der digitalen Welt zu verbinden. Shakespeares Stücke laden geradezu ein, eine zweite Welt erstehen zu lassen. Die Bühne wird so Schlachtfeld, Heide, Wald, Schloss, Bankettsaal. Sie ist Raum für Naturschauspiele, Geister, Halluzinationen, Wahnsinnsvorstellungen. Da entstehen stimmige Bilder, treten flüchtige Gestalten auf. Das hätte Shakespeare vermutlich sehr gefallen. „Der Wald von Birnam geht.“ Virtuell wäre auch das möglich gewesen. Verführerisch ist der Gedanke, eine Inszenierung auf einer physisch leeren Bühne in virtuellen Räumen zu spielen zu lassen.  Am Besten, einen Shakespeare.

Nächste Vorstellungen: 26.05. | 10.06. | 22.06. (jeweils 19.30 Uhr)

Der Text erschien zuerst am 08.05.2017 im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort (Bezahlschranke).

MGN Macbeth in FW 2017-05-08

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