#MuseumDigital #Wernigerode

Alles im grünen Bereich. Oder?

Die digitale Welt hat längst im Museum Einzug gehalten. Oder auch nicht. Die Fachtagung „Digitale Vermittlung in Museen“ war anregend, aufregend, leider zu wenig dialogisch, mit ganz vielen Informationen, manchmal zu viel auf einmal.

Die Hochschule Harz in Wernigerode liegt am Ortsrand, da geht’s gleich in den Wald, Wanderwege sind ausgeschildert. Die Tagung in Kooperation mit dem Museumsverband Sachsen-Anhalt lockt rund 100 Museumsmenschen, Interessenten aus Verwaltungen und auch Thüringer Kolleginnen und Kollegen.

Twitter gruener Bereich 2017-08-21

Mein erster Tweet vor Beginn der Tagung im wunderbaren Audi Max der Hochschule ist harmlos und lässt, für meine Verhältnisse, meinen Account leicht beben. Alles im grünen Bereich, zwitschere ich ganz erwartungsfroh. Die Bemerkung versehe ich hier mal mit einem Fragezeichen, was die (digitale) Situation in den Museen betrifft.

Über Begriffe verständigen

Worüber sprechen wir?, fragt Christian Reinboth (CR) von der HS Harz gleich zu Beginn. Das mag manche Experten unter den Zuhörern verstören, scheint mir aber nützlich. Wer gibt schon zu, nichts Richtiges mit Begriffen anfangen zu können wie Weblog, Proxipedia, MOOC oder Digitorial? Das macht CR richtig gut, da lerne ich auch was.

Schon vor Beginn der Tagung begrüße ich, analog und vis-à-vis, die Bloggerin, die sich selbstironisch „kulturtussi“ nennt. Anke von Heyl redet über „Dialog gestalten“ von Museen im digitalen Raum. Sie unterscheidet zwischen „digitaler Vermittlung“ und „Vermittlung im digitalen Raum“ und denkt dabei immer das Analoge mit. Dieses Sicht finde ich gut. Oft habe ich den Eindruck bei Diskussionen im Netz, dass nur noch der digitale Raum und das Digitale zählt, die physische Welt, in der wir leben und die meiste Zeit verbringen, ausgeblendet wird.

Wechselnde Positionen. Technik und Positionen von Christian Reinboth und Anke von Heyl "kulturtussi".
Wechseln. Technik und Positionen von Christian Reinboth und Anke von Heyl „kulturtussi“.

Anke von Heyl plädiert für den „Dialog im und mit dem Museum“, auch außerhalb des gebauten (Museums)Raumes. Museen müssen im Netz präsent sein, weil das Internet zur Lebensrealität vieler Menschen gehört. Das scheinen profane Wahrheiten zu sein. Aber die muss man immer wieder mal öffentlich und offen aussprechen, weil es zu viele Bremser innerhalb und außerhalb von Museen gibt. Dazu später.

Aura des Originals im Museum

„Digitalisierung kann einen Museumsbesuch nicht ersetzen.“ Der These der „kulturtussi“ stimme ich unbedingt zu. Das „Digitale“ kann den Besuch intensivieren, meint sie. Ja. Meine Position zum Verhältnis digitales und analoges, physisches Museum: Das „Digitale“ kann Museumsbesuche vor Ort vor- und nachbereiten, ist eine „Brücke“ ins gebaute Museum mit seinen Originalen. Nur dort erlebt der Besucher im besten Fall so etwas wie die „Aura“ des Originals, des Kunst- bzw. Museumsobjekts, in Verbindung mit seiner Präsentation im physischen Raum und mit anderen Besuchern. Klingt sehr abstrakt, weiß ich. Ich will hier nicht Walter Benjamin bemühen.

Vor ein paar Jahren habe ich die große Van-Gogh-Ausstellung in Basel gesehen. So viele Originale wie nie zuvor waren an einem Ort versammelt, das war etwas ganz Besonderes. Genervt hat mich damals der große Auftrieb an Besuchern, die ständig ertönenden Alarmsignale im Kunstmuseum Basel, weil Irgendeiner immer zu nahe an die Bilder kam. Anders im Kunsthaus in Zürich. Da gibt es einen Saal mit Monet-Bildern, u. a. eine Version der berühmten Seerosen. Den Saal und das Erlebnis hatte ich ganz allein für mich. Der Zauber der Originale und der realen Umgebung, in der sie präsentiert werden, war einmalig.

Twitter Kulturtussi 2017-08-21

Zurück zur Tagung. Was Anke von Heyl über die Aktion bei Facebook #SunflowerLive berichtet, da sage ich „Hm“. Was technisch so alles möglich ist, gut. Aber Original bleibt Original. Zum Dialog im Netz: den richtigen Ton treffen. Ja. Das ist wie im richtigen Leben. Mal sachlich, faktenbasiert, mal ironisch. Mal sinnfrei und mit Sprache spielen, siehe „Alles im grünen Bereich“. Im Netz, auf den verschiedenen sozialen Plattformen, ist die Rückkoppelung mit dem Publikum unmittelbar zu spüren. Also immer wieder testen, posten, korrigieren.

Jetzt zum Thema Ressourcen, das die „Kulturtussi“ kurz, für meine Begriffe zu kurz, streifte. Ich halte das für ein gravierendes Problem vor allem in den kleinen und mittleren Museen. Die machen die große Mehrzahl der ca. 6500 Museen in Deutschland aus. Zunächst: die positive Einstellung zum Digitalen und zum Dialog mit dem Publikum muss gegeben sein. Dann braucht man Museumsmenschen, Hard- und Software, ein Konzept im Kopf oder auf Papier, was ich mit welchem Ziel und Aufwand (Zeit und Geld) erreichen will. Aber bitte nicht ausschließlich oder an erster Stelle Besucherzahlen (im Netz, im Museum) als Maßstab nehmen.

Kommunikation wird oft ausgebremst

Meine Erfahrung: Museen und Verantwortliche in Museen werden oft von ihren Trägern (Städten und Gemeinden, Landkreisen etc.) daran gehindert, selbst, proaktiv und zeitschnell mit dem Publikum zu kommunizieren, dabei die unterschiedlichen Plattformen (Web, Social Media) zu bespielen. Da ist Politik im Spiel, die Angst von politisch Verantwortlichen, es könnte was aus dem Ruder laufen. Manchmal höre ich was vom Kontrollverlust einer Verwaltungsspitze über die externe Kommunikation mit Bürgern bzw. Museumspublikum. Manchmal sind Museumsmitarbeiter auch schlicht überfordert: handwerklich, technisch, mental, sie könnten was falsch machen (was immer passieren kann, daraus muss man lernen).

Twitter Dinos VR-Brille 2017-08-21

So viel wollte ich hier gar nicht schreiben. Dabei gibt es noch andere, mich stark beschäftigende Vorträge und Positionen, die auf der Tagung eine Rolle spielten. Nur so viel. Freifunk ist ein Thema für Museen, wenn sie WLAN anbieten wollen. Computerspiele in und für Museen sind ein Mega-Thema, nicht nur wegen der GamesCom, die gerade in Köln läuft. Ich erinnere nur an das bekannte Schillerzitat, der Mensch, „er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ AR, VR, MR. Augmented und Virtual Reality, Mixed Realitity sind weitere Themen, mit denen sich Museen befassen müssen. Überhaupt wird das Thema unterschiedlicher „Realitäten“ meiner Meinung nach in der öffentlichen Kommunikation immer noch unterschätzt. Aber das ist ein neues Thema.

Meine moderate Kritik, leider zu wenig dialogisch, mit ganz vielen Informationen, manchmal zu vielen Informationen auf einmal – nehmt das nicht so schwer, liebe Kolleginnen und Kollegen im Museumsverband Sachsen-Anhalt und der Hochschule Harz. Das war eine richtig gute Sache, die Tagung und die Vorträge und das ganze Drum und Dran. Die Hochschule Harz bot sehr gute Bedingungen. Dafür allen Herzlichen Dank, insbesondere Susanne Kopp-Sievers (Museumsverband Sachsen-Anhalt e.V.) und Christian Reinboth (Hochschule Harz)! Ich komme sehr gern wieder nach Wernigerode.

Der Text wird hier erstmals veröffentlicht. Alle Fotos/Screenshots: mip

Kommentare zu “Alles im grünen Bereich. Oder?”

  1. Vielen Dank für den Besuch und die freundliche Rezension unserer kleinen Tagung, über die sich die Kolleginnen und Kollegen sowohl im Verband als auch an der Hochschule sehr gefreut haben. Wie Sie zu Recht – ja auch schon während der Veranstaltung via Twitter – bemerkt haben, wäre mehr zeitlicher Raum für Fragen oder Diskussionen sicher eine Bereicherung gewesen. Aus diesem Grunde haben wir uns dazu entschlossen, neben einer jährlichen Tagung zu jeweils wechselnden Themen zukünftig auch noch Workshops zu Fragen der Digitalisierung für Museen und andere Kultureinrichtungen anzubieten, in denen wir uns in persönlicherem Rahmen stärker auf den Austausch von Erfahrungen fokussieren können. Zur nächsten Tagung lade ich Sie – wenn Sie denn Interesse haben sollten – selbstverständlich sehr gerne wieder ein. Themen werden dann übrigens die digitale Langzeitarchivierung in Museen sowie die Archivierung unserer heutigen digitalen Freizeitwelten für zukünftige Generationen von Historikerinnen und Historikern sein.

    Mit besten Grüßen aus der bunten Stadt am Harz

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