Die repräsentative Museumsausstellung über mittelalterliche Kunst aus Thüringen ist jetzt für mindestens fünf Jahre in Mühlhausen zu sehen. Die religiösen Bildwerke erzählen biblische Geschichten und Legenden.
Der erste Eindruck ist überwältigend. Die Kirche St. Marien in Mühlhausen, die heute ein Museum ist, beeindruckt durch ihren monumentalen Charakter, der an französische Kathedralen erinnert. In der Tat wurde der heutige Bau davon beeinflusst. Das größte fünfschiffige Gotteshaus in Thüringen wurde bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts errichtet. Der mit 87 Metern höchste Kirchturm in Thüringen wurde nachträglich vor rund 120 Jahren ausgebaut. Die Marienkirche als ein Ausstellungsort der Mühlhäuser Museen ist zugleich das prägende Museumsobjekt der neuen Dauerausstellung mittelalterlicher Kunst „Von Einhörnern und Drachentötern“.
Der erste Raumeindruck beim Betreten der Marienkirche ist ebenfalls überwältigend. Die über 60 Kunstwerke, darunter fünf vollständige Altäre, 31 Skulpturen und 18 Gemälde, kehren an ihren eigentlichen Bestimmungsort, eine Kirche, zurück. Das Museum St. Marien ist komplett saniert worden, verfügt über eine moderne Infrastruktur, die jedes Museum haben sollte. Die Ausstellungsarchitektur vom Artus Atelier Erfurt überzeugt durch Lichtbänder und Gestaltungselemente, die dem Kirchenraum und den Kunstobjekten in schönster Weise gerecht wird. In einer Sichtachse quer durch die Ausstellung sind Altäre platziert. Gemälde, Skulpturen und Glasmalereien können vom Besucher ganz nahe in Augenschein genommen werden. Den einzelnen, oft mehrteiligen bzw. großformatigen Kunstwerken kann genügend Platz gewährt werden, was in traditionellen Museumshäusern manchmal nicht möglich ist.
Die Ausstellung auf ca. 1.200 m² Fläche ist gut über den weitläufigen Kirchenraum, über die Seitenschiffe, Säulen und Wände verteilt. Sie illustriert in vier Themenbereichen, welche Bedeutung religiöse Bildwerke für die Menschen des späten Mittelalters hatten. Werke aus den damaligen Thüringer Kunstzentren und Künstlerwerkstätten Erfurt, Altenburg, Jena, Pößneck, Schleiz, Eisenach und Mühlhausen werden vorgestellt. Hinzu kommen Objekte aus den Nachbarregionen Franken und Sachsen. Sie vermitteln mit ihren zahlreichen Marien-, Christus- und Heiligendarstellungen ein anschauliches Bild des von starker Religiosität geprägten Mittelalters.
Ein „Tryptichon mit Einhornverkündung“, Erfurt 1430/40, ein „Altarflügel mit Einhornverkündung“ aus der Werkstatt des Allendorfer Altars um 1490 sowie weitere Einhorn-Darstellungen verweisen auf das Fabelwesen in Pferde- oder Ziegengestalt mit dem Horn auf der Stirn. Der Mühlhäuser Museumsdirektor Thomas T. Müller berichtet, dass bereits vor ca. 29.000 Jahren in Sibirien die ersten Einhörner überliefert sind. Sie gelten als Verkörperung Christi und der Tugend, symbolisieren das Gute. Ein anderes, wiederkehrendes Bildmotiv ist das vom Heiligen Georg, dem Drachentöter. Der legendäre christliche Heilige geht auf das 3. Jahrhundert zurück und symbolisiert den Kampf gegen das Böse. Die Ikonografie der einzelnen Werke zu lesen, dürfte jedoch manchem Besucher schwerfallen, der nicht so in der biblischen Geschichte zuhause ist.
Texttafeln in der Ausstellung vermitteln Informationen zu einzelnen Werken, Werkstätten, Künstlern und künstlerischen Einflüssen, etwa der Cranach-Werkstatt. Die Mühlhäuser Museen bieten regelmäßig Führungen an, auch auf Voranfrage, und ein spezielles Vermittlungsprogramm für Kinder. Einzelbesucher vermissen dennoch einen Kurzführer oder ausführlichere Informationen zu einzelnen, herausragenden Kunstwerken, zum Beispiel in Form eines Audioguides. Ein Ausstellungskatalog ist wohl geplant.
Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt der Mühlhäuser Museen und der Klassik Stiftung Weimar, aus deren Bestand die Werke mittelalterlicher Kunst stammen. Das Land förderte das Projekt mit 250.000 Euro. Das Weimarer Stadtschloss wird bekanntlich bis 2023 saniert, die Sammlung wäre ansonsten im Depot verschwunden. So ist sie jetzt für mindestens fünf Jahre in Mühlhausen zu sehen.