Der ideale Weg führt in Weimar zu Fuß durch den Ilm-Park vorbei an Goethes Gartenhaus. Nur wenige Schritte weiter steht oberhalb das Haus Am Horn 61, die Bauhaus-Ikone. Heute wird sie wieder eröffnet.
Von Goethe zu Gropius, von der Weimarer Klassik zur Weimarer Moderne. Das ist ein symbolischer und ein realer Weg in der Weimarer Kulturgeschichte, der weltweit wahrgenommen wird. Das Haus Am Horn 61, die erste Architektur des Bauhauses, ist vom Baubüro Gropius 1923 in nur vier Monaten realisiert worden. Der Entwurf stammte vom damals 28-jährigen Bauhaus-Meister und Maler Georg Muche, die Bauleitung übernahmen Adolf Meyer und Walter March im Auftrag von Bauhaus-Direktor Walter Gropius.
Bauhaus unter Druck der Thüringer Landesregierung
Das Bauhaus und sein Direktor standen von Anfang an gehörig unter Druck der Thüringer Landesregierung. Sie sollten öffentlich vorstellen, was die Bauhäusler in Weimar so alles anstellten mit den öffentlichen Geldern. Für eine Bauhaus-Siedlung gab es seit 1920 Pläne für das Gelände Am Horn, um zu zeigen, wie künftig moderne Menschen zusammen leben und arbeiten. Wohnhäuser, Nutzgärten, eine Schule, Spielplätze und ein öffentliches Bad sollten entstehen. Der Plan blieb eine Idee auf dem Papier.
Gebaut wurde schließlich das Versuchshaus zur ersten, großen Bauhaus-Ausstellung 1923, das Haus Am Horn 61 in Weimar, die erste Adresse des Bauhauses weltweit. Alle Bauhaus-Werkstätten waren beteiligt. In einer großen kreativen Kraftanstrengung entstanden der Bau, die Inneneinrichtung und der Erwerbsgarten auf dem Grundstück. Das Haus erlebte eine wechselvolle Geschichte. Eigentümer wechselten ab 1924, bauten an und um, das Haus wurde von bis zu drei Mietparteien bewohnt. 1998/1999 erfolgte die erste denkmalgerechte Sanierung. Seitdem organisierten der Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar und der langjährige Bauhaus-Kustos Michael Siebenbrodt über 60 Ausstellungen, hunderte kulturelle Veranstaltungen, Symposien und Vorträge.
Das Haus ist der Star
Jetzt ist das Haus der Star, saniert und zurückgeführt auf den ursprünglichen Zustand von 1923. Der Besucher betritt durch das Eingangstor das Grundstück, das eingefriedet ist von einem schwarzen, transparenten Drahtzaun wie 1923. Im Mai 2019 blühen die frisch gepflanzten Erdbeeren und Apfelbäume am Wegesrand zum Hauseingang. Der wieder hergestellte Garten gehörte zum Konzept der Lebensreformbewegung der 1920er-Jahre: sich selbst mit Gemüse und Obst versorgen, Luft und Sonne genießen.
Das flache Haus und die weit darüber ragende Rotbuche prägen das Gesamtbild des Areals. Der Besucher sollte sich Zeit nehmen für den Rundweg im Garten und um den Zaun herum, um das Ensemble in seiner Gesamtheit zu erfassen und, ja, zu genießen.
Ziel der denkmalpfelgerischen Sanierung war es, das Versuchshaus „als gestalterische und technologische Idee von 1923 verständlich zu machen“, sagt die verantwortliche Restauratorin Birgit Busch von der Klassik Stiftung. Fenster wurden rekonstruiert, moderne, aber wie einst gusseiserne Heizkörper installiert, historisches Material wie ein spezielles Glas nachgefertigt. Bund und Land finanzierten die Sanierung mit rund 840.000 Euro.
Hinein ins Haus, das vom großen, zentralen Wohnraum in der Mitte dominiert wird. Der Besucher wird staunen, sich die Augen reiben. Wo ist die Einrichtung? Im Wohnraum steht auf immerhin 36 Quadratmeter Wohnfläche ein raffiniertes Schrank-Ensemble mit einer Art gläsernen Turm als Hingucker. Der Entwurf stammt von Marcel Breuer. Original Teile sind meisterlich ergänzt und rekonstruiert worden von Gerhard Oschmann. „Umrissmöbel“ deuten an, wie das Haus ausgestattet war mit Stühlen, Schränken, Schreibtisch und Betten von Breuer und Erich Dieckmann. Originalgetreu nachgebaut wurden der Schminktisch mit Stuhl und ein Schrank im Schlafzimmer der Dame (ja, getrennte Schalfzimmer gab es damals), ebenso der berühmte Spielschrank vom Alma Siedhoff-Buscher im Kinderszimmer. Das Original steht im Bauhaus-Museum.
Kuratorin Anke Blümm setzte konsequent ein Konzept um, das den Bau von 1923 mit den umlaufenden Räumen, Oberlichtern, Fenstern, Ausstattungsdetails wie Türklinken sichtbar macht. Die wenigen, aber hochwertigen Repliken deuten die einstige Inneneinrichtung an, machen auf den Verlust der Originale aufmerksam, über deren Verbleib nichts bekannt ist.
Virtuelle rekonstruierte Originale
Der Besucher kann sie aber virtuell auf seinem Smartphone anschauen, ergänzt mit vielen Informationen. Möglich ist das durch die erweiterte App Bauhaus+, die bereits durch das neue Bauhaus-Museum und das Neue Museum führt und umfassend informiert. Die App gibt’s kostenlos zum Herunterladen für iOS und Android. Alternativ ist der gedruckte Katalog zum Haus Am Horn zu empfehlen.
Das museale Ensemble zum Weimarer Bauhaus ist nun komplett: Mit dem Neuen Museum, das die Vorgeschichte ab 1860 erzählt. Mit dem neuen Bauhaus-Museum, das die Weimarer Gründung in den Blick nimmt. Mit dem Haus Am Horn 61, der ersten realisierten Bauhaus-Architektur weltweit.
Am Sonnabend, den 18. Mai, feiert Weimar am Tag und in der Langen Nacht der Museen doppelt bis 24 Uhr: die Wiedereröffnung der Bauhaus-Ikone und den 136. Geburtstag von Bauhaus-Direktor Walter Gropius. Die Bauhaufeste waren einst legendär, wild, schrill, laut, schräg, voller Überraschungen.
Haus Am Horn 61 in Weimar
geöffnet Mittwoch bis Montag 10-18 Uhr
empfehlenswert BauhausCard für 11 Euro
Museumsführer 112 S. für 9,90 Euro
App Bauhaus+ kostenfrei
Der Text erschien zuerst in der Tageszeitung Freies Wort in Suhl und wird hier erstmals im Internet veröffentlicht.