Aufbruch der Malerinnen

Eine Wand mit Stillleben. Blumengestecke und Früchte. Gemalt von Künstlern und Künstlerinnen. Welches Bild ist von wem? Gibt es eine männliche und eine weibliche Handschrift? Die Ausstellung in Schweinfurt beantwortet die Fragen nicht.

Hereinspaziert in die Ausstellung.

Die Sammlung von Kunstwerken aus dem 19. Jahrhundert im Museum Georg Schäfer wird von Männern dominiert. Wie vermutlich in den meisten Museen und Sammlungen in Deutschland und weltweit. Kunst von Frauen, Frauen als anerkannte Künstlerinnen – sie treten erst im beginnenden 20. Jahrhundert so richtig in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, kämpfen um politische Gleichberechtigung, das Frauenwahlrecht wird in Deutschland eingeführt.

Dennoch gab es um 1800 in Deutschland einen Aufbruch von begabten, talentierten Frauen, die sich als Malerinnen beruflich etablieren wollten. Gesellschaftliche Umwälzungen, beginnend mit der französischen Revolution und ihren Folgen, der Kampf von Frauen um Anerkennung ihrer Menschen- und Bürgerinnenrechte, gegen Unterdrückung, Vorurteile und tradierte Rollenzuweisungen, etwa als Mutter, prägten jene Jahre. In der Kunstgeschichte bleiben solche einzelnen Bestrebungen und Bewegungen bis heute weitgehend unbeachtet. Ausstellungen über Malerinnen, die um 1800 öffentliche Aufmerksamkeit erlangten, sind eher selten.

Erster Rundgang vor Eröffnung der Ausstellung.

Die Ausstellung im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt „Talent kennt kein Geschlecht. Malerinnen und Maler der Romantik auf Augenhöhe“ stellt 90 Werke vom 16 Künstlerinnen und 20 Künstlern aus der Zeit von etwa 1770 bis 1840 gegenüber. Die Bilder der Maler stammen überwiegend aus der eigenen Museumssammlung. Bei den Bildern von Frauen ist Kurator Wolf Eiermann vor allem in 23 deutschen Sammlungen fündig geworden, darunter in sechs Thüringer Museen in Eisenach, Erfurt, Gotha, Sömmerda und Weimar. Seine Idee, die in der Ausstellung gut verwirklicht worden ist: Thematisch und ästhetisch vergleichbare Bilder werden unmittelbar nebeneinander gehängt bzw. gegenüber platziert: Stillleben, verschiedenartige Porträts, Selbstporträts, Familienbildnisse, religiöse Sujets und einzelne herausragende Künstlerinnen. Dabei schwingt immer die Frage mit: Was ist von einem Mann, was ist von einer Frau gemalt?

Welches Porträt ist von einem Maler, welches von einer Malerin?

Kunstwissenschaftler streiten darüber, ob es männliche und weibliche Handschriften gibt, die sich unterscheiden lassen. Das soll den Betrachter in der Schweinfurter Ausstellung nicht kümmern. Was zählt, so Kurator Eiermann, sei die Qualität von Kunst. Nur darüber wird ja auch ständig und immer wieder neu diskutiert. Die künstlerische und handwerkliche Qualität der eingangs genannten Stillleben mit Blumen und Früchten unterscheidet sich nicht so sehr voneinander. Das sind sehr präzise gemalte, üppige Blumenbuketts, Trauben, Pfirsiche, Aprikosen und andere exotische Früchte, die strahlen und leuchten, das es eine Pracht ist. Hier wird klar, das können sich nur die „Schönen und Reichen“, Höfe und Bürgertum, leisten. Die Kunstwerke und die Früchte.

Die Malerinnen und Maler der um 1820/30 entstandenen Stillleben sind weitgehend unbekannt: Nikolaus und Catharina Treu, Ernestine Wendel und Gottfried Wilhelm Völcker. Ihre Biografien sind in der Ausstellung nachzulesen, mal mehr, mal weniger ausführlich, leider nicht im Katalog. Angedeutet und zuweilen erzählt werden die Begleitumstände, unter denen vor allem die Frauen als Malerinnen ihr Talent ausbilden, als Beruf oder Berufung öffentlich ausleben lassen konnten. Mit der Gründung von Kunstakademien in Deutschland erhielten Frauen die Chance für eine künstlerische Ausbildung, in der Regel als Schülerinnen in den Privatateliers der Akademielehrer. Einflussreiche Förderer und Auftraggeber ermöglichten auch Künstlerinnen, eigene Werke zu schaffen und Wege einzuschlagen, im Ausnahmefall eine feste Anstellung als Hofmalerin zu bekommen. Mutter oder Malerin? Nur ganz wenigen Frauen gelang um 1800 eine erfolgreiche Karriere als Künstlerin, wie man das heute formulieren würde.


„Künstlerinnen der Goethezeit“ 1999 in Gotha
Da tauchen dann in der Schweinfurter Ausstellung Bilder und Namen auf, die einen Klang haben und Kunstliebhabern bekannt sein dürften, nicht zuletzt durch die großartige und opulente Ausstellung 1999 in Gotha „Zwischen Ideal und Wirklichkeit – Künstlerinnen der Goethezeit“, kuratiert von Bärbel Kovalevski. Die aktuelle Schau in Schweinfurt bezieht wesentliche Inspirationen aus dem wissenschaftlich akkurat erstellten Gothaer Katalog und von der damaligen Kuratorin, die am Schweinfurter Katalog als Autorin mitgeschrieben hat.

Kurator Wolf Eiermann vor dem Gemälde „Christus und die Samariterin am Brunnen“, entstanden 1796, von Angelika Kauffmann.

An erster Stelle in jener Zeit steht unumstritten Angelika Kauffmann, die bekannteste, produktivste und kommerziell erfolgreichste Malerin um 1800. Goethe lernte sie auf seiner Italienreise 1786 kennen. Überliefert ist seine Bewunderung, sie habe „als Weib unglaubliches Talent.“ In Schweinfurt ist Angelika Kauffmann ein eigener Raum mit drei Bildern und Texten gewidmet. Eine WDR-Dokumentation aus dem Jahr 2000 zeichnet in 15 Minuten ihren Lebensweg nach.

Angelika Kauffmann, Julie von Egloffstein, Louise Seidler, Caroline Bardua
Von Goethe gefördert wurden Julie von Egloffstein, Louise Seidler und Caroline Bardua, die alle in der Schweinfurter Ausstellung mit Bildern vertreten sind. Dazu gehört das bekannte höfische Porträt der „Königin Therese von Bayern, 1836“, ein Auftragswerk, das Julie von Eggloffstein den Durchbruch als erfolgreiche Künstlerin brachte. Dem prächtigen Bild gegenübergestellt ist ein Porträt von „Karl Robert Graf von Nesselrode, um 1825-1830“, gemalt von Franz Krüger. Zum subjektiven Vergleich: Vielleicht ist die Malweise der Egloffstein individueller, persönlicher, der Porträtierten zugewandter als die Handschrift ihres männlichen Kollegen. So kann der Betrachter vergleichen und für sich die Frage nach männlichen und weiblichen Handschriften beantworten.

Die Maler kommen in der Schweinfurter Ausstellung ein bisschen schlechter weg. Sympathie und Aufmerksamkeit gehören eindeutig den Malerinnen. Und das ist gut so.

Der Text wurde zuerst veröffentlicht in der Tageszeitung Freies Wort (Print, E-Paper, online).
Alle Fotos/Screenshot: miplotex

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

48 − 41 =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.