Finale im Millionen-Deal

Wie steht es um die Gründung der Kulturstiftung Mitteldeutschland Schlösser und Gärten (KMSG)? Die Verträge über das größte Kulturinvestitions- und -kooperationsprojekt Thüringens seit 1990 sollen bis zum Sommer 2020 unterschriftsreif vorliegen.

Gute Aussicht: Blick von der Veste Heldburg, ein Kandidat für die neue Kulturstiftung.

Politische Turbulenzen um die Wahlen von zwei Ministerpäsidenten in Thüringen und die Corona-Pandemie lassen ein kulturpolitisch schwergewichtiges Thema in den Hintergrund treten. Dabei haben eine Thüringer Landesregierung und die betroffenen Kulturträger noch nie ein so großes Rad drehen müssen wie gegenwärtig. Es geht um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag, der bis 2028 in Thüringer Schlösser, Gärten und Museen fließen soll. Und um viele komplexe und praktische Fragen, die in diesem Kontext beantwortet werden müssen. Staatsvertrag und Finanzierungsabkommen über die vom Bund und den Ländern Thüringen und Sachsen-Anhalt zu gründende Kulturstiftung KMSG sollen bis zum Sommer 2020 unterschriftsreif vorliegen, sagte eine Sprecherin von Thüringens Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (Die Linke) auf Anfrage. Die Corona-Pandemie „verlangsame jedoch die Kommunikations- und Abstimmungsprozesse“ zwischen den drei Verhandlungspartnern.

Das Sonderinvestitionsprogramm I für die Jahre 2021 bis 2028 umfasst je 100 Millionen Euro des Bundes und des Freistaats Thüringen, die in die Sanierung und Restaurierung von Schlössern und Gärten investiert werden sollen. Hinzu kommen von Bund und Land jährlich je 15 Millionen Euro Betriebskostenzuschüsse für Schlossmuseen und andere Kultureinrichtungen in den Immobilien. Das macht für acht Jahre bis 2028 die Summe von 440 Millionen Euro aus. Der Thüringer Investitionsanteil von 100 Millionen Euro ist bereits im Haushaltsplan 2020 der Thüringer Staatskanzlei (Seite 100) als Verpflichtungsermächtigungen in acht Jahresscheiben festgeschrieben und damit geltendes Gesetz.

Erst politische Turbulenzen, jetzt Corona-Krise

Die finalen Verhandlungen über den Staatsvertrag und das Finanzierungsabkommen mit dem Bund und Sachsen-Anhalt laufen. Einbezogen sind mehrere Ministerien unter Federführung der Thüringer Staatskanzlei und der Thüringer Rechnungshof. Über den Stand der Verhandlungen gibt es keine Informationen, obwohl die Thüringer Landesregierung bis zum 1. März 2020 dem Thüringer Landtag berichten sollte. Das steht so in einem Landtagsbeschluss vom 27. September 2019. Die politischen Turbulenzen im Februar/März 2020 ohne arbeitsfähige Landesregierung und die anhaltende Corona-Krise verhinderten bisher eine Information an den Landtag, dessen Gremien wie beispielsweise der Kulturausschuss gegenwärtig nicht zusammenkommen.

Die Kulturausschuss-Vorsitzende des Thüringer Landtages, Katja Mitteldorf (Die Linke), sieht die Lage um die zu gründende Kulturstiftung KMSG jedenfalls gelassen. „Wir haben gerade andere Probleme“, sagt sie, womit sie vor allem die aktuelle Situation von Kulturschaffenden und -einrichtungen meint, die um ihr Überleben kämpfen. Dennoch, ein Zeitplan zur parlamentarischen Behandlung der Verträge bis zum Sommer ergibt sich fast von selbst. Sollte nach dem 20. April der parlamentarische Betrieb wieder beginnen, könnte am 8. Mai die Landesregierung den Kulturausschuss des Landtages über den Verhandlungsstand zur Gründung der Kulturstiftung informieren. Spätestens in der letzten Ausschuss-Sitzung vor der Sommerpause  am 10. Juli müssten die Verträge vorliegen, um parlamentarisch behandelt zu werden. Früher wäre besser, so die Ausschuss-Vorsitzende. Die letzten Plenarsitzungen des Thüringer Landtages vor der Sommerpause sind für den 15. bis 17. Juli vorgesehen.

Politisch heikel? CDU-Stimmen im Thüringer Landtag notwendig

Da könnte noch ein Konflikt drohen, über den Katja Mitteldorf nicht spekulieren möchte. Ein ausverhandelter Staatsvertrag, so ist der praktische Gang der Dinge, wird von den politisch Verantwortlichen, hier von Thüringen, Sachsen-Anhalt und dem Bund, unterschrieben. Die jeweiligen Parlamente stimmen darüber ab. Manchmal erfolgt zuerst die Unterschrift des Ministerpräsidenten, danach das Votum der Abgeordneten. Oder umgekehrt. Die Landtags-Fraktionen von Linke, SPD und Bündnis 90/Grüne sowie CDU haben Anfang März 2020 eine politische Vereinbarung abgeschlossen, einen „Stabilitätsmechanismus“. Ein Kernpunkt: Keine der beiden Seiten stimmt im Thüringer Landtag gegen die andere. Eine frühzeitige Information der CDU-Fraktion durch die Landesregierung über die Verträge scheint angebracht, um einen möglichen Konflikt zu vermeiden. Die CDU-Fraktion stellte sich 2019 noch gegen das Projekt Kulturstiftung, sprach vom „Ausverkauf von Thüringer Kulturgütern“, attackierte heftig die alte Landesregierung.

Die Meininger Museen im Schloss Elisabethenburg drängen in die neue Kulturstiftung.

Jenseits der Vertragsverhandlungen der beiden Länder und des Bundes sowie des parlamentarischen Procederes gibt es berechtigte Interessen der betroffenen Thüringer Kulturträger und -institutionen. Für die beteiligten Residenzmuseen erinnert die Direktorin des Schlossmuseums Arnstadt, Antje Vanhoefen, an zwei konkrete Punkte: „Die Souveränität und Eigenverantwortung der Museen muss oberstes Gebot sein.“ Das schließt die „hierarchische Gleichstellung von Museen und Bauabteilung“ in der Kulturstiftung KMSG ein, betont sie. Diese Forderungen stehen in einer Stellungnahme von elf Thüringer Residenzmuseen. Eine der drei Sprecherinnen der Interessengruppe ist Antje Vanhoefen. In einer ersten Reaktion auf das Positionspapier hatte Kulturminister Hoff erklärt, dass er „mit den Grundaussagen des Papiers übereinstimme.“

Im erwähnten Beschluss des Thüringer Landtages vom 27. September 2019 werden brisante Fragen angesprochen, die vertraglich zu regeln sind. Dazu gehört, dass die Länder eigenständig die Rahmenbedingungen der Verträge umsetzen können, was immer das im konkreten Fall bedeuten mag. Für die Museumsträger, Eigentümer, Stifter und Leihgeber von Sammlungen ganz wichtig: die Kunst- und Kulturgüter in den Immobilien, in der Regel Museen, sollen grundsätzlich an ihrem angestammten Ort verbleiben. Für die Mitarbeiter in den Museen und Einrichtungen der Schlösser und Gärten ist von hohem Interesse, wie sie künftig entsprechend ihrer Qualifikation, Berufserfahrung und Verantwortung bezahlt werden. In den kommunal getragenen Museen verdienen Mitarbeiter erheblich weniger als in Stiftungsmuseen, die vom Land und Bund mitfinanziert werden, etwa der Klassik Stiftung Weimar.

Gehört Kloster Veßra mit dem Hennebergischen Museum zu den Kandidaten für die KMSG?

Da gibt es weitere Fragen, die zu beantworten sind: Gremienbesetzungen in der neuen Kulturstiftung KMSG, Mitsprache und Mitfinanzierung durch die jetzigen Eigentümer und Träger der Schlösser, Gärten und Museen, welche Immobilien und Museen überhaupt in die neue Kulturstiftung überführt werden. Im Gespräch sind u. a. neben dem Schlossmuseum Arnstadt die Veste Heldburg mit dem Deutschen Burgenmuseum, das Meininger Schloss Elisabethenburg mit Park und den Museen, Schloss Wilhelmsburg mit Museum in Schmalkalden, das Naturhistorische Museum Schloss Bertholdsburg in Schleusingen.

Viel Zeit bleibt nicht mehr für die unterschriftsreifen Verträge. Informationen und Transparenz sind notwendig: für die Landtags-Abgeordneten, die zustimmen sollen sowie für die beteiligten Kulturträger, -institutionen und deren Mitarbeiter, die legitime Interessen vertreten. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, was mit den dreistelligen Millionensummen öffentlichen Geldes vorgesehen ist.

Der Beitrag erschien zuerst in der Tageszeitung Freies Wort (Prinausgabe, E-Paper)
und wird hier erstmals online veröffentlicht. Archivfotos/Screenshot: miplotex

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