Was für ein Glücksfall. Der Bund stellt bis 2027 für Projekte in Thüringen zur „Unterstützung der Schlösser- und Kulturlandschaft“ insgesamt 75 Millionen Euro zur Verfügung. Im Jahr 2020 flossen von 15 Millionen Euro nur 1,75 Millionen Euro in Projekte von drei Museen ab. Die öffentliche Kulturförderung ist ein politisches und bürokratisches Geschäft.
„Wir haben keinen Winterschlaf gehalten. Wir waren sehr aktiv“, sagt ganz freimütig Roland Krischke, Direktor des Lindenau-Museums Altenburg, auf einer Video-Pressekonferenz. Der Mann und seine Mannschaft sprühen nur so vor Ideen, entwickeln Projekte und Aktionen, geben ihnen werbewirksame Namen und Überschriften. Stehen dafür auch kurzfristig Fördermittel in Aussicht, öffnen sie die Ideenschublade und reichen ein Projekt ein. Es hat geklappt am Jahresende 2020. Sie erhielten 67.000 Euro für eine Holzwerkstatt in ihrem geplanten „Studio Leonardo“.
Im Schlossmuseum Sondershausen ist die neue, junge Direktorin Carolin Schäfer glücklich, dass sie vom Millionen schweren Kuchen ein gutes Stück abbekommen hat. Das kurzfristige Antragsverfahren war ein riesiger Kraftakt für das Museum und den Museumsträger, die Stadt Sondershausen, berichtet sie. Alle haben mitgezogen, auch unter Pandemiebedingungen und in Quarantäne, es hat geklappt. Für die Digitalisierungs- und Vermittlungsoffensive fließen in verschiedene Museumsprojekte 81.400 Euro.
In der Klassik Stiftung Weimar gehört die Akquise von Fördermitteln zum Alltag. Zwei Mitarbeiterinnen sind damit permanent beschäftigt, sagt ein Stiftungssprecher. Unter Zeitdruck wie alle anderen auch beantragte die zweitgrößte öffentliche Kulturstiftung Deutschlands knapp 2 Millionen Euro beim Bund. Sie erhielt 1,6 Millionen Euro für einen Sammelantrag mit vielen Einzelpositionen, vor allem für die IT-Aufrüstung, Hardware und Software für Forschungsvorhaben, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, für Ausstattung und Ausrüstung.
13,3 Millionen beantragt und 1,75 Millionen Euro bewilligt
Nach Recherchen dieser Zeitung wurden zum Jahresende 2020 kurzfristig neun Anträge aus Thüringer Museen mit einem Fördervolumen von 13,3 Millionen Euro an den Bund gestellt. Geflossen sind letztendlich ca. 1,75 Millionen Euro an die drei genannten Häuser. Der zugrunde liegende Maßgabebeschluss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 26.11.2020 legt fest, dass in den Jahren 2020 und 2021 jeweils bis zu 15 Millionen Euro in Projekte der Schlösser- und Kulturlandschaft Thüringens fließen, um kulturelle und museale Ziele zu erreichen, „die im besonderen Bundesinteresse liegen“. Konkret genannt werden Digitalisierung, Provenienzforschung, kulturelle Bildung und länderübergreifende kulturtouristische Ziele. Die Projektmittel für 2020 mussten noch im alten Jahr ausgegeben werden. Die Mittel für 2021 werden überjährig zur Verfügung gestellt, können also auch danach noch ausgegeben werden. Das sind bundespolitische Entscheidungen, auf die das Land Thüringen und die Museen keinen Einfluss haben.
In Thüringer Museen, unter Museumsträgern und Museumsleuten läuft seit Jahren hinter den Kulissen eine kontroverse Debatte über die oftmals intransparente Förderpolitik des Bundes und des Landes. Ein Glücksfall ist die Tatsache an sich, dass der Bundestag als Haushaltsgesetzgeber und die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien Fördermittel in Millionenhöhe ausreichen, ohne dass zwingend das Land und/oder die Zuwendungsempfänger, also Städte, Landkreise, Stiftungen etc., einen Eigenanteil einbringen müssen. Denn das ist oft nicht oder nur sehr schwer möglich.
Ab 2022 gehen viele Schlossmuseen in Thüringen leer aus
Wer, wofür und wie viel Fördermittel letztendlich erhält, ist von vielen Dingen und Umständen abhängig. Neben Ideen und Projekten, der Strahlkraft des Museums und seiner Sammlungen, sind sehr gute politische Kontakte zu einflussreichen Bundes- und Landespolitikern eine Grundvoraussetzung. Museumsdirektor Krischke ließ in seiner Danksagung für die Fördermittel den Satz fallen, „unser Draht in den Bundestag glüht“ und nannte konkrete Politikernamen. Das Lindenau-Museum Altenburg, so im genannten Maßgabebeschluss politisch festgelegt, erhält bis 2027 Projektmittel in Höhe von bis zu 12 Millionen Euro, ebenso viel die Klassik Stiftung Weimar. Die Stiftung Schloss Friedenstein kann mit Projektmitteln von bis zu 21 Millionen Euro bis 2027 rechnen. Ab 2022 gehen andere infrage kommenden Schlossmuseen und Kultureinrichtungen in Thüringen dagegen leer aus.
Zum Vergleich. Das Land Thüringen reicht für alle antragsberechtigten Museen jährlich bis zu 250.000 Euro insgesamt für Projekte aus. Ein Museum kann bis zu 12.500 Euro für ein einzelnes Vorhaben beantragen. Ein Fachbeirat, bestehend aus dem Vorstand und Arbeitskreisleitern des Museumsverbandes, empfiehlt eingereichte Projekte dem Land, die in der Regel bestätigt werden. Empfehlung und Entscheidung erfolgen nach Kriterien, die für Betroffene, die leer ausgehen, oft nicht nachvollziehbar sind
Leise Kritik aus Rudolstadt: „Das ist ganz bitter.“
Die Vergabe von öffentlichen Fördermitteln befeuert eine Debatte, die oft nur im Verborgenen geführt wird. Aus dem Thüringer Landesmuseum in Rudolstadt polterte Direktor Lutz Unbehaun als Erster öffentlich gegen die drei genannten Museen, die bis 2027 Projektmittel des Bundes in Millionenhöhe erhalten werden. Seine Stellvertreterin Sabrina Lüderitz wiederholte Mitte Januar bei MDR Kultur die Kritik leiser: „Das ist ganz bitter.“ Trotz Antrag war das Museum bei der Fördermittelvergabe durch den Bund für 2020 leer ausgegangen. Wie auch das Museum Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden, wie Direktor Kai Lehmann bestätigt. Auf seinen Antrag hin bekam er nicht einmal eine Absage, geschweige denn eine Begründung. Er wird ihn jetzt noch einmal stellen.
Für das Jahr 2021 stehen wiederum 15 Millionen Euro durch den Bund bereit. An innovativen Projekten im Sinne des genannten Maßgabebeschlusses des Bundestages sollte es in Thüringer Museen nicht mangeln. Damit nicht die immer Gleichen, sondern auch andere Museen mit überzeugenden Ideen vom Millionen schweren Kuchen des Bundes ein gutes Stück abbekommen.