Aufklären will die Stadtverwaltung Erfurt den Theaterskandal nicht wirklich. Der ist spätestens im Oktober 2023 öffentlich geworden. Die Stadtverwaltung Erfurt will mit viel Steuergeld ein für sie gravierendes Problem „abräumen“. Sie will den Skandal und Millionenverluste in der Wirtschaftsführung des Theaters im Jahr 2023 nicht aufklären und transparent machen.

Gerade haben ein Rundfunksender, die Lokalzeitung und ein Boulevardblatt „vertrauliche“ Zahlen veröffentlicht, was die Stadt der Theaterskandal bisher gekostet hat und künftig kosten könnte. Das ist kein Zufall. Dazu später mehr.
Zu den jüngsten Fakten und Spekulationen. Der ehemalige, weil mehrfach gekündigte Generalintendant und Werkleiter des Theaters Erfurt fordert knapp eine Million Euro von der Stadt als Abfindung. Die Stadtverwaltung verhandelt, bietet so um die 200.000 Euro an. Im Jahresabschluss des Theaters für 2023 sind 1.513.000 Euro als „Rückstellungsbildung für die Gehaltszahlungen der abberufenen Werkleitung“ reserviert.
Hinzu kommen Anwaltskosten der Stadt in Höhe von bisher mindestens 500.000 Euro für beauftragte Kanzleien und Wirtschaftsprüfer. Die Existenz eines neuen, vierten (?) Gutachtens, ca. 140 Seiten stark, bestätigte in 2 sehr kurzen, öffentlichen Sitzungen des Werkausschusses WA Theater der Finanzdezernent der Stadt. Steffen Linnert ist seit März 2025 in Vertretung des Oberbürgermeisters wieder für den Eigenbetrieb Theater Erfurt zuständig.

Zur letzten Sitzung des WA Theater, die am 2. April abends stattfindet. Der Autor dieser Zeilen ist der einzige anwesende Journalist im großen Rathaussitzungssaal in Erfurt. Das Detail ist relevant, dazu später.
Zu den Gästen der Sitzung gehören 2 Juristen der Beratungsgesellschaft PwC, eine Referentin der Kulturabteilung des Thüringer Kulturministeriums, der Theaterreferent der Stadtverwaltung Erfurt und weitere Menschen. Die beiden seit 1. Februar 2024 amtierenden Werkleiter des Theaters Erfurt sind anwesend. Der Werkausschuss selbst besteht aus stimmberechtigten Stadträten, berufenen Bürgern und dem „Theaterdezernenten“, also Herrn Linnert, Parteibuch SPD. Ausschuss-Vorsitzender ist ein SPD-Mann. Die beiden verstehen sich prächtig.
Im öffentlichen Sitzungsteil geht es, eigentlich, um 2 Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Grüne zur „Feststellung des Jahresabschlusses 2023 des Eigenbetriebes Theater Erfurt“. Die einen wollen Ex-OB Bausewein nicht entlasten, die anderen wollen die beiden ehemaligen Werkleiter nicht entlasten. Es geht um ein 4-Millionen-Defizit. Weil Alles mit Allem zusammenhängt, argumentiert eine Stadträtin der Linken. Interne Sonderprüfungen von städtischen Ämtern gegen den Ex-Intendanten und die Ex-Verwaltungsdirektorin des Theaters seien noch nicht abgeschlossen.
Stimmt. Der Theaterskandal Nr. 1 (meine Formulierung) dreht sich um mögliche sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch des Ex-Intendanten. Beim Theaterskandal Nr. 2 (meine Formulierung) geht es um die desaströse Wirtschaftsführung im Jahr 2023, verantwortlich sind die beiden ehemaligen Werkleiter. Die Abendsitzung läuft schon im öffentlichen Teil „aus dem Ruder“. Der Sitzungsleiter (SPD) leitet die Sitzung parteiisch, er hat sich mit dem Theaterdezernenten (SPD) offenbar abgesprochen, so mein zwingender Eindruck vor Ort. Beide bügeln die Argumente der die Anträge stellenden Fraktionen einfach ab.
Ein langjähriger CDU-Stadtrat und jetzt berufener Bürger im WA Theater beschwert sich heftig über ausbleibende Antworten der Stadtverwaltung zum Thema „Akteneinsicht“. Er möchte, wie früher als Stadtrat, vertrauliche Dokumente lesen können. Dezernent Linnert belehrt den Fragesteller, dass er laut Thüringer Kommunalordnung kein Recht habe, Vertrauliches zu lesen. Punkt.
Weil Reden und Gegenreden im Saal sich emotional aufschaukeln, Dezernent und Sitzungsleiter auf offener Bühne aufeinander einflüstern, stellt der Dezernent den Antrag, ab sofort auf „nicht öffentliche Sitzung“ umzuschalten. Das war zu erwarten. Der Werkausschuss hat zu dem Zeitpunkt noch nicht über die als öffentlich deklarierten Anträge von Linken und Grünen abgestimmt. Abgestimmt wird jetzt über „nicht öffentliche Sitzung“ mit großer Mehrheit. Ich muss, mal wieder, raus aus dem Saal.

Im nicht öffentlichen Teil, das flüstert mir ein Mensch vor der Sitzung, soll es um den Theaterskandal Nr. 1 (siehe oben) und das neue juristische Gutachten von PwC gehen. So ist es auch.
Zahlen und Fakten, Interpretationen und Spekulationen stehen bereits am nächsten Morgen, nur 10 bzw. 7 Stunden nach Sitzungsende, auf den Internetseiten der Zeitungen und des Rundfunks. Gut vorgearbeitet, telefoniert und gechattet, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut den Medienmenschen Zahlen und Interpretationen eingeflüstert, liebe Menschen aus dem Werkausschuss und der Stadtverwaltung. Das „Durchstechen“ und Veröffentlichen von Informationen ohne konkrete Quellenangabe gehört zum Mediengeschäft dazu.
Die Lokalzeitung gibt in ihrer Veröffentlichung indirekt zu, dass sie vertrauliche Dokumente besitzt, weil sie daraus zitiert. Zum Beispiel die „Aufhebungsvereinbarung“ zwischen der Landeshauptstadt Erfurt und dem Generalintendanten vom „26.01.24“. Bekanntlich winkt der Stadtrat diese Vereinbarung in einer nichtöffentlichen Sitzung am 31.01.2024 nicht durch.
Redaktionen verfügen auch über mindestens eines der im Auftrag der Stadtverwaltung erstellten 4 „geheimen Gutachten“ zum Theaterskandal Nr. 1. Sie sind schon vor langer Zeit „durchgestochen“ worden. Da öffnen sich Abgründe beim Lesen und Grübeln darüber.
Die Stadtverwaltung Erfurt will den Theaterskandal „abräumen“ und den Ex-Intendanten ausbezahlen. Das darf nicht geschehen.
Der Druck auf gewählte Stadträte durch die Stadtverwaltung und Anwälte wächst weiter.