Enttäuschende Debatte

Über Reden und Schweigen

Das war eine enttäuschende öffentliche Debatte in Erfurt über ein Jahr rot-rot-grüne Kulturpolitik in Thüringen. Der Kulturminister redete viel, die Kulturakteure wenig.

Auf dem Flur in der Thüringer Staatskanzlei reden Ministerpräsident Bodo Ramelow und Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff, der Chef der Staatskanzlei, gelegentlich auch über Kulturpolitik. Am Kabinettstisch sowieso. Die Dritte im Bunde, die für Kultur zuständig ist, Staatssekretärin Babette Winter, sitzt auch am Kabinettstisch. Kultur ist politisch Chefsache in der Thüringer Landesregierung. So viel zur ersten Frage von Moderator Jörg Sobiella (MDR Figaro) und der ersten Antwort von Hoff.

Der Kulturminister bemühte sich am Montag Abend in Erfurt, Kultur und Kulturpolitik als Gesamtheit zu vertreten, vielleicht animiert durch die Kritik des Museumsverbandes Thüringen aus der Vorwoche. Der hatte unter anderem gefordert „tatsächlich die ganze Kulturlandschaft Thüringens“ in den Blick zu nehmen, nicht auf Theater und Orchester zu reduzieren.

Doch dann lenkte der Moderator die Diskussion sofort auf Theater und Orchester. Der Intendant des Theaters Rudolstadt, Steffen Mensching, nutzte diese Chance rhetorisch gekonnt, die Idee vom Fünfeck ausführlich darzustellen. Also ganz kurz, es geht um die mögliche Kooperation der Theater und Orchester von Rudolstadt, Nordhausen, Eisenach, Meiningen und Gotha. Der Rest ist an dieser Stelle Schweigen.

Worüber wollte der Kulturrat Thüringen, der zum öffentlichen Gespräch eingeladen hatte, mit Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff und seiner Staatssekretärin Babette Winter eigentlich reden? In der Einladung standen viele Fragen, die eher abschreckend wirkten. Zum Beispiel: „Welche Verabredungen des Koalitionsvertrages werden tatsächlich in die Tat umgesetzt?“ Oder: „Wie konkret bekennt sich die Landesregierung zur Intensivierung aller Maßnahmen der kulturellen Bildung?“ Und: „Auch brennende Themen der regionalen Thüringer Kulturlandschaft sollten  angesprochen und auf Lösungsansätze hin untersucht werden.“

Mäßiges Interesse beim kulturinteressierten Publikum.
Mäßiges Interesse beim kulturinteressierten Publikum.

Die eingeladenen „kulturell interessierten Menschen“ (Einladungstext) kamen erst gar nicht, viele Stühle blieben leer. Vor einem Jahr beim ersten Gespräch war die Neugier auf die Neuen in der Landeskulturpolitik sehr groß, diesmal das Interesse mäßig. Vielleicht 50 Gäste vor allem aus Kulturinstitutionen und -verwaltungen hörten zu. Und sie hörten vor allem den Kulturminister reden, reden und reden. Benjamin-Immanuel Hoff kann sehr schnell denken, reden, argumentieren und so seine Gesprächspartner zum Schweigen bringen.

Vornehme zurückhaltend waren die Kulturakteure gegenüber den Politikern auf dem Podium. Fotos: mip
Vornehme zurückhaltend waren die Kulturakteure gegenüber den Politikern auf dem Podium. Fotos: mip

Die Gesprächspartner auf dem Podium kamen gelegentlich doch zu Wort. Lutz Unbehaun, Direktor des Thüringer Landesmuseums Heidecksburg in Rudolstadt, verteidigte tapfer die jüngste öffentliche Wortmeldung des Museumsverbandes Thüringen: „Wir wollen gehört und beteiligt werden.“ Was offenbar bisher nicht der Fall ist. Personalabbau und prekäre Beschäftigungsverhältnisse gibt es auch in Museen, das Geld reicht vorn und hinten nicht. Ja, da sind vor allem die Träger gefordert, in der Regel Städte, Gemeinden und Landkreise, die arm dran sind.

Aber, das ist ein Einschub des Autors: Das Theater Rudolstadt, am Ort mit 58.000 gezählten Besuchern in der Saison 2013/2014, wird mit 2,4 Millionen, das Landesmuseum in Rudolstadt, 104.000 Besucher 2014, mit ein paar Hunderttausend Euro institutionell vom Land gefördert. Warum ist das so? Der Kulturminister würde jetzt entgegnen: Falsche Frage. Über Zweck, Strukturen und Rahmenbedingungen institutioneller Kulturförderung des Landes und der Kommunen wurde vorgestern Abend so gut wie nicht geredet, über eine tatsächliche oder vermeintliche Schieflage der öffentlichen Kulturfinanzierung des Landes auch nicht.

Dabei gab es manche Gelegenheit bei Antworten nachzuhaken und nachzufragen. Vor der Wahl versprach die Partei Die Linke, die jetzt den Kulturminister stellt, einen Anteil von 2 Prozent des Landeshaushaltes für die Kulturförderung einzusetzen. Aktuell beträgt der Wert 1,5 Prozent. „Der Kulturhaushalt steigt“, verkündete Staatssekretärin Winter. Konkrete Zahlen, vergleichbar mit den Vorjahren, wurden nicht genannt. Die Vizevorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur Thüringen, Petra Rottschalk, überraschte mit der Bemerkung: „Wir haben auch was zu liefern. Erst dann reden wir übers Geld.“

Der Präsident des veranstaltenden Kulturrates Thüringen, Eckart Lange, kam erst nach einer Stunde auf dem Podium zu Wort, ein Fauxpas des Moderators. Lange nannte kurz einige Probleme: hochqualifizierte, aber unterbezahlte Kulturakteure, die bedrohliche Situation in Musik- und Jugendkunstschulen, die strukturelle Trennung von Kultur, Wissenschaft und Bildung in der Thüringer Landesregierung, das noch nicht verlängerte Kulturmanagerprogramm.

Da konnte der Kulturminister doch gute Nachrichten verkünden. Das Programm für Kulturmanager sei verlängert worden, andere Förderrichtlinien ebenfalls. Die Gespräche zwischen Minister und Staatssekretärin mit den Kulturakteuren werden fortgesetzt. Sie müssen sich nur selbstbewußt zu Wort melden, die Kulturmacher.

Der Text erschien zuerst im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort.

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