Lodert da was zwischen Frau und Mann? Oder sind das nur verlotterte Verhältnisse? Arthur Schnitzlers „Liebelei“ lotet Abgründe aus. Leider nicht in der Premiere am Landestheater Eisenach.
Was Frauen so über Männer reden. „Ich werd doch einem Mann nicht nachlaufen.“ Hm! Was Männer so über Frauen reden. „Wir hassen nämlich die Frauen, die wir lieben – und lieben nur die Frauen, die uns gleichgültig sind.“ Anmerkung Arthur Schnitzler: „Fritz lacht.“
Der Doktor der Medizin Arthur Schnitzler (1862-1931) erregt 1895 mit seinem zweiten Theaterstück, der „Liebelei“, einige Aufmerksamkeit in Wien, weil er in menschliche Seelen schaut, seziert, was hinter der Fassade passiert – oder auch nicht. Er macht das Schreiben zum Beruf und die Menschen mit ihren Gefühlen, Gedanken und ihrer Seele zu seinem Thema. Er provoziert damit Skandale im Theater und in der feinen Gesellschaft, was für noch mehr Aufmerksamkeit sorgt.
Die Inszenierung am Landestheater Eisenach von Boris C. Motzki sorgt – nun ja, für gediegene Langeweile. Kein Seelen-Striptease, nichts prickelt, knistert, lodert oder lärmt da. Niemand nervt oder nötigt den Freund oder die Freundin. Sie sind nett zueinander. Leider.
Das Publikum wird an die Hand genommen, wenn der Gazevorhang hochgeht. Die Guckkastenbühne (von Anke Niehammer, auch Kostüme) auf der Bühne signalisiert die kleine, enge Welt und, vielleicht, Weltsicht von Christine und Mizi, Fritz und Theodor. Das Innen- und Gefühlsleben der vier Protagonisten soll irgendwie sichtbar, erlebbar, nach außen gekehrt werden. Da passiert ganz einfach zu wenig hinter der Oberfläche.
Sie reden und spielen zu oft zu angestrengt, die Leichtigkeit zum Verführen und zum Verführen lassen, fehlt. Ach ja, es geht um Liebe bei Christine und um Liebelei bei Fritz und was dazwischen noch so wabert und wallt. Der Fritz (Istvan Vincze) ist ein fescher Kerl. Aber ein Frauenversteher? Ein Verführer? Ein Vereinsamter? Er tanzt mit Christine (Ekaterina Ivanova) Walzer im langsamen Dreivierteltakt, doch die Gefühle gehen bei ihm auf Grundeis. Die Hormone tanzen – nicht.
Christine, jung und naiv, umschwärmt und umschmeichelt ihren Fritz. Sie nervt ihn ein bisschen mit ihren Fragen nach dem Wer? und Wohin? Sie glaubt an die große Liebe. Wir glauben das nicht, wie das so vordergründig gespielt und behauptet wird. Die Mizi (Jannike Schubert), die einem Mann nicht nachläuft, hat ein bisschen Charakter: verrucht, schnippisch, Lebefrau, sie spielt das Spiel mit den Männern so, wie mit ihr gespielt wird. Der Theodor (Roman Kimmich), ja, das ist so ein unscheinbarer Typ und Langweiler, der als Liebhaber glatt durchfällt.
Eine Atmosphäre vermag der Abend nur phasenweise entwickeln, mit Klavierspiel und Gegenlicht, Schattenfrauen und -männern hinter dem Guckkasten. Ein Sound, eine knisternde Spannung, das Prickeln beim Blick in menschliche Seelen liegt nicht über oder besser unter der Inszenierung. Die psychologische Finesse bei Schnitzler, die von den Figuren und Dialogen ausgeht, die so schwer zu spielen ist und so leicht daherkommen soll, die fehlt. Hinter der Fassade – ist nichts.
Als Zuschauer bleibe ich im Regen sitzen. Die unvermeidliche Katastrophe lässt mich unberührt. Christine fragt am Ende ein bisschen hysterisch: „Was bin denn ich?“ Gefragt wird nicht. Geantwortet wird erst recht nicht.
Der Text erschien zuerst im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort Suhl.
Vorstellungen im Landestheater Eisenach
am 31.01. | 07.02. | 19.02.2016
Premiere im Theater Meiningen am 19.01.2017