Zwei Stadtratsausschüsse in Erfurt lehnen mehrheitlich mit den Stimmen von SPD und CDU den Theaterfinanzierungsvertrag mit dem Land ab. Die Stadtverwaltung soll nachverhandeln. Das Land sagt, es gibt nichts zu verhandeln.
Am 5. November 2015 verkündete Thüringens Kulturminister Benjamin Hoff (Die Linke) die „Perspektive 2025“ zur „Sicherung und Fortentwicklung der Thüringer Theaterlandschaft“. Ein Jahr später, nach unzähligen öffentlichen und internen Gesprächen, Verhandlungen und gegenseitigen Vorwürfen liegt der Theaterfinanzierungsvertrag zwischen der Landeshauptstadt und dem Land auf Eis. Dabei geht es um ein Theaterbudget von fast 100 Millionen Euro, darunter 80 Millionen Fördermittel, wenn man die minimale Laufzeit von 2017 bis 2020 annimmt.
In diesem Jahr geben die Stadt Erfurt rund 11 Millionen, das Land 7,35 Millionen Euro. Hinzu kommen die Eigeneinnahmen des Theaters, die letztes Jahr 3,6 Millionen Euro betrugen. Für das Jahr 2020 ist ein öffentlicher Zuschussbedarf für das Theater Erfurt durch Stadt und Land von knapp 22 Millionen Euro prognostiziert worden. Hinzu kommen die Eigeneinnahmen. So viel zu den Zahlen.
Ursprünglich strebte Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) eine 50-Prozent-Beteiligung des Landes am öffentlichen Zuschuss für sein Theater an. Das musste er sich schnell abschminken. Eine strukturelle Kooperation mit dem Deutschen Nationaltheater Weimar lehnten die Nachbarn strikt ab. Also blieb nur das Drehen an kleinen Rädern, um den Stadthaushalt und damit das Theater Erfurt anteilmäßig zum Land finanziell zu entlasten. Denn Fakt ist, die Kosten steigen und das muss irgendwie finanziert werden.
Am 19. Mai 2016 diskutierte Kulturminister Hoff in öffentlicher Sitzung mit den beiden Erfurter Stadtratsausschüssen für Theater und Kultur über den bereits ausverhandelten Theatervertrag, der den Stadträten zu dem Zeitpunkt noch nicht vorlag. Schon damals prallten die unterschiedlichen Positionen hart aufeinander. Minister Hoff betonte schon vor knapp sechs Monaten, dass es nichts mehr zu verhandeln gebe.
Was ist seitdem passiert? Offenbar nicht viel. Mündliche Zusagen des Landes an die Stadt würden nicht oder nur unscharf formuliert im Vertragstext stehen, sagen Erfurter Stadträte. Das betrifft 4,2 Millionen Euro des Landes für notwendige Investitionen am 13 Jahren alten Theaterbau. Das Land argumentiert, das Theater Erfurt ist ein städtischer Eigenbetrieb und erstmal selbst zum Bauunterhalt verpflicht. Im Übrigen stehen dringend notwendige Sanierungen der Theater Altenburg und Nordhausen ganz oben auf der Prioritätenliste des Landes. Unscharf im Vertrag formuliert ist die Verwendung von 200.000 Euro jährlich für Aushilfen des Philharmonischen Orchesters Erfurt. Bescheidene 30.000 Euro jährlich für einen Kooperationsfonds mit anderen Theatern seien viel zu wenig, kritisieren Erfurter Stadträte.
Alles nur Erfurter Theaterdonner? Kulturminister Hoff erklärt, er lasse mit sich reden, aber nicht über mehr Landesfördergeld für das Theater Erfurt verhandeln. Dann gibt es ab 1. Januar 2017 einen vertragslosen Zustand zwischen Land und Landeshauptstadt. Die Landesförderung würde auf dem Niveau des Jahres 2016 fortgeschrieben, wenn Erfurt sich in bisheriger Höhe beteiligt. Denkbar ist auch, dass sich der Erfurter Stadtrat über das Votum der beiden Ausschüsse hinwegsetzt und dem vorliegenden Vertrag doch noch rechtsverbindlich zustimmt. Das wäre dann eine dramatische Wende in dem ganzen Erfurter Stadt- und Thüringer Freistaatstheater.
Der Text erschien zuerst im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort und (hinter der Bezahlschranke) im Internet.