Schöne Nebensache

„Kultur ist die Zukunft Thüringens“

Rot-Rot-Grün will das Kulturressort künftig in der Thüringer Staatskanzlei ansiedeln, geführt von einer Staatssekretärin oder einem Staatssekretär im Kabinettsrang. Was ist davon zu halten?

Klar scheint, es wird kein eigenständiges Ministerium mehr geben, in dem Kulturpolitik formuliert und nach außen vertreten wird, erstmals seit 24 Jahren in Thüringen. Damit wird das Kulturland Thüringen politisch abgewertet, auch wenn das der designierte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) ganz anders sieht. Ein eigenständiges Ministerium und ein Minister, die Kultur im Namen tragen, werden ganz anders wahrgenommen und akzeptiert. Titel und Hierarchien spielen im Kulturbetrieb eine große Rolle, ob man das akzeptieren und wahrhaben will oder nicht.

Berliner Modell ist untauglich für Thüringen
Das „Berliner Modell“ muss herhalten als Begründung, dass so eine Struktur auch in Thüringen funktionieren kann. Kulturstaatsministerin Prof. Dr. Monika Grütters ist eigentlich Staatssekretärin und residiert im Bundeskanzleramt. Sie verfügt über einen eigenen Stab und ein eigenes Budget, das im Bundeshaushalt ausgewiesen ist. Im Land Berlin ist der noch Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zugleich Kultursenator. Die Amtsgeschäfte nimmt Kulturstaatsekretär Tim Renner wahr. Die Berufspolitikerin Grütters ist Honorar-Professorin für Kultur- und Medienmanagement, sie leitete zuvor den Bundestagsausschuss für Kultur und Medien. Renner war zuvor Musikproduzent, Journalist und Autor. Beide kommen also aus der Kulturbranche und kennen die Szene.

So weit, so gut? Klar scheint, dass in der neuen Verortung von Kultur in der Thüringer Staatskanzlei die Verwaltungsstrukturen und ein eigener Haushalt bestehen bleiben. Das Kulturbudget in Höhe von aktuell 155 Millionen Euro in diesem Jahr wird politisch auch in Zukunft garantiert, ist aus Kulturkreisen von Rot-Rot-Grün zu hören. Staatssekretärin oder Staatssekretär im Kabinettsrang bedeutet, dass sie oder er künftig jeden Dienstag in der Ministerrunde am Kabinettstisch in der Thüringer Staatskanzlei in Erfurt sitzt. Und sonst?

Staatssekretärin für Kultur?
Die Frage zielt auf die Persönlichkeit, die künftig die Kultur- und Europapolitik in der Landesregierung vertritt. Europa darf hier nicht vergessen werden. Im Koalitionsvertrag ist das politische Prinzip „Wünsch dir was“ formuliert. Also wünsche ich mir jetzt eine Staatssekretärin für Kultur. Kompetent in der Sache. Charismatisch in der Ausstrahlung. Dialogfähig mit den Kulturakteuren. Durchsetzungsstark am Kabinettstisch. Das wird wohl ein Wunsch bleiben.

Fakt ist, die SPD Thüringen besetzt den Posten. Der einzige Kulturpolitiker von Format, den sie im Lande hat, Hans-Jürgen Döring, hat sich gerade in den politischen Ruhestand verabschiedet. Spekuliert wird, dass der amtierende Justizminister Holger Poppenhäger das Amt übernehmen könnte. Der promovierte Jurist ist aktuell Vorsitzender der deutschen Delegation im Ausschuss der Regionen bei der Europäischen Union. Er ist seit einigen Jahren Vorstandsvorsitzender des Trägervereins Puppentheater Erfurt, eine renommierte und vielfach ausgezeichnete Bühne, die vom Land gefördert wird. So gesehen passen Europa und Kultur bei ihm zusammen. Aber es muss ja nicht so kommen.

Was erwartet die neue Frau, den neuen Mann an der Spitze des Kultur- und Europaressorts? Die Kulturförderung in Thüringen soll mit einem Kulturfördergesetz neu ausgerichtet, transparenter und verlässlicher werden. In der Kulturszene hoffen einige auf eine Umverteilung von Fördermitteln zu ihren Gunsten. Die freie Szene, Projektmanager, Kulturagenten sowie Bibliotheken, Jugendkunst- und Musikschulen, auch Museen, Kunstinstitutionen und Künstler erwarten mehr Fördergeld. Andere sind alarmiert, dass ihnen Millionen Euro verloren gehen könnten, vor allem Theater und Orchester. Noch fließen vertraglich zugesicherte Millionensummen. Und ab 2017? Verteilungskämpfe und Konflikte um die öffentliche Kulturförderung scheinen unausweichlich.

Notwendig ist eine breite öffentliche Diskussion aller Kulturakteure, die bisher nur im Süden und Norden Thüringens geführt und öffentlich kaum wahrgenommen wird. Ich meine die beiden regionalen Kulturentwicklungskonzepte, die gerade gedacht, diskutiert und formuliert werden. Welche Kultur wollen wir uns künftig leisten? Mehr Kooperation und Kommunikation im Kulturbereich über institutionelle und Verwaltungsgrenzen hinweg sind ein guter Ansatz. Aber personell, finanziell und materiell brauchen professionell geführte Kulturinstitutionen eine Grundausstattung, um anständig arbeiten zu können. Aber immer mehr sollen Ehrenamtliche den Betrieb bisher professionell geführter Kultureinrichtungen übernehmen, meinen manche Landräte, Bürgermeister und Kassenwarte. Das ist ein Irrweg, der nicht in die Zukunft führt.

Lasst uns endlich Taten sehen
Das letzte Wort hat einer, der in den letzten fünf Jahren regierte. „Ich will keine ruhige Debatte. Lassen Sie uns streiten und diskutieren. Lassen Sie uns entwickeln und verwerfen. … Kultur ist die Zukunft Thüringens.“ Gut gesagt, Christoph Matschie, noch Kulturminister, vor zwei Jahren in einer Regierungserklärung zur Kulturpolitik in Thüringen. Lasst uns endlich solche Taten sehen, dass Kultur eine Zukunft in Thüringen hat.

PS. Leicht bearbeitete Fassung des Beitrages, der zuerst am 02.12.2014 im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort veröffentlicht wurde, hinter der Bezahlschranke.

2 Kommentare zu “„Kultur ist die Zukunft Thüringens“”

  1. Bleibt zu hoffen, dass Regierungsbildung und Verteilungskämpfe einigermaßen schnell über die Bühne gehen, damit die Thüringer Kultur, die laut Statistiken ja immer viele Touristen anlockt, nicht zu sehr darunter leidet. Ob es durch ein neues Amt und andere Titel besser wird, ist ungewiss.

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