Eine fulminante Landesausstellung breitet mehr als 400 Jahre Geschichte aus. „Die Ernestiner. Eine Dynastie prägt Europa“ entfaltet in Gotha und Weimar ein Panorama aus Bildern, Geschichten und multimedialen Elementen.
Der erste Eindruck überwältigt ob der Fülle und Vielfalt der ausgestellten Objekte und erzählten Geschichten. In Gotha im Schloss Friedenstein und im Herzoglichen Museum, in Weimar im Neuen Museum und im Residenzschloss trifft der Besucher auf 4.000 m² Ausstellungsfläche auf 600 museale Objekte und multimediale Vermittlungsangebote. Sechs thematischen Kaptitel werden ausgebreitet: Die Ernestiner und das Land, Familie und Künste in Gotha. Die Ernestiner und das Reich, der Glaube und die Wissenschaft in Weimar.
So ausführlich über eine Herrscherdynastie, so opulent in der Material- und Objektfülle,so kooperativ zwischen der Stiftung Schloss Friedenstein und der Klassik Stiftung Weimar sowie mit internationalen, nationalen und regionalen Leihgebern ist noch nie eine Landesausstellung in Thüringen entstanden. Das gestern den Medien bei einem ersten Rundgang an allen vier Ausstellngsorten vorgestellte Ergebnis überzeugt, wenn auch im Detail da und dort Kritik angebracht ist.
Die Ernestiner und Albertiner gehen auf die wettinischen Brüder Ernst und Albrecht von Sachsen zurück, die ihre Besitzungen 1485 teilten. Das Kapitel „Land“ in Gotha beschreibt die Dynastie zwischen territorialer Zersplitterung und nationaler Einheit vor allem an einem multimedialen Tisch. Hier kann der Besucher durch die Zeiten und Territorien surfen und sich informieren. Daneben sind authentische Sachzeugen zu besichtigen wie das Kurschwert von Kurfürst Friedrich I., genannt der Streitbare. Das ist ein Ausstellungsprinzip: authetische, originale Sachzeugen werden wo möglich und nötig multimedial ergänzt und erweitert.
Die ausgeklügelte Heiratspolitik der Ernestiner wird ausgebreitet, die im 19. Jahrhundert zu Verbindungen zu Fürstenhäusern in ganz Europa führt und bis in die Gegenwart reicht. Die Künste förderten die Ernestiner nach Kräften. Der Meininger Theaterherzog Georg II. ist dafür ein herausragendes Beispiel, das in der Ausstellung in Gotha angemessen gewürdigt wird.
Der Ausstellungsrundgang in Weimars Neuem Museum ist übersichtlicher und besser gestaltet als im Gothaer Schloss, wo die drei thematischen Kapitel singulär und als Teil der ständigen Ausstellung in einem zum Teil düsteren Design und Licht eingerichtet worden sind. In Weimar werden 20 Geschichten in drei Kapiteln Die Ernestiner und das Reich, der Glaube und die Wissenschaft erzählt. Da gibt es Hingucker wie den authentischen Thron des Weimarer Großherzogs, der als Person virtuell an die Wand daneben gemalt wird. Herausragende Gemälde aus Madrid und Wien mit Porträts der Herrscher gehören zu den Glanzstücken der Ausstellung, wie auch in Gotha herausragende Gemälde von den Cranachs und der Weimarer Malerschule zu sehen sind.
Die Gründung und Entwicklung der Universität Jena wird ausführlich erzählt, die Ernestiner als die Verteidiger der Reformation herausgestellt. Insofern ist die 5. Thüringer Landesausstellung seit dem Jahr 2000 auch ein Prolog für das Reformationsjahr 2017.
Hervorzuheben ist das sehr umfangreiche und differenzierte Bildungs- und Vermittlungsprogramm in beiden Städten und für alle Besuchergruppen. Das lohnt sich unbedingt für Einzelbesucher, Familien, Schülergruppen und ausländische Gäste (alles auch in Englisch). Besucher sollten Zeit mitbringen, um in Muße die Fülle und Vielfalt der 5. Thüringer Landesausstellung aufnehmen zu können, die bisher umfangreichste und überzeugendste Landesausstellung.
„Die Ernestiner. Eine Dynastie prägt Europa“
24.04.-28.08.2016 in Weimar und Gotha
geöffnet Di-So 10-18 Uhr
an allen Standorten
Der umfangreich bebilderte Text erschien zuerst im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort.