Fachtagung des Museumsverbandes Sachsen-Anhalt und der Hochschule Harz in Wernigerode.
Die Digitalisierung eröffnet Museen und anderen Kultureinrichtungen große Chancen. Aber es gibt auch Skepsis, Unsicherheit und Ablehnung in den Häusern. Darüber habe ich für die Tageszeitung Freies Wort und aus Thüringer Perspektive einen Bericht geschrieben, den ich hier veröffentliche.
Vor dem Tagungsort, der Hochschule Harz in Wernigerode, steht eine Baustelle. Das ist ein symbolisches Bild für die Fachtagung des Museumsverbandes Sachsen-Anhalt „Auf dem Weg zur digitalen Strategie“. Von den rund 100 Teilnehmern kommen zehn aus Thüringen, weil sie das Thema interessiert und solche Angebote durch den hiesigen Museumsverband nicht gemacht werden.
Über Digitalstrategien in kleinen und mittleren Unternehmen, auch in Museen, spricht Prof. Thomas Leich. Er leitet das Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0 in Sachsen-Anhalt und hat schon viele Ausreden gehört. „Dafür haben wir keine Zeit.“ Oder „Der Nutzen von Digitalisierung ist unklar.“ Oder „Ich weiß nicht, wie ich starten soll.“ Er empfiehlt, einfach mal „mit kleinen Projekten anzufangen oder Teil eines Projektes zu werden.“ Er fordert von den Fachleuten in Unternehmen und in Museen, „sie müssen lernen, wie Digitalisierung funktioniert, wie sie angewendet wird.“ Veränderung beginnt im Kopf, mit der Haltung von Mitarbeitern im Museum zu einem Prozess, der mit hohem Tempo voranschreitet.
Der Museums- und Digitalexperte Dr. Christian Gries von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern stellt das Projekt „Digitale Strategien für Museen“ vor. Die Landesstelle ist das Kompetenzzentrum für ca. 1.300 kleine und mittlere Museen. Das „digitale Instrumentarium“ der Museen in Bayern ist differenziert und wird unterschiedlich genutzt: Websites, Blogs, Social-Media-Anwendungen, Podcasts, Audios und Videos, Online-Sammlungen. Experte Gries unterscheidet zwischen der digitalen Vermittlung aus dem Museum heraus und der Vermittlung im digitalen Raum. Auch diese Frage treibt Museen um: Welchen Wert hat der digitale Besucher für ein Museum?
Thema Museumswebsite. Nur 40 Prozent der Museen in Bayern haben eine eigene Internetseite, 5 Prozent keine. Die Mehrzahl der Museen betreibt eine Website als Teil eines Verbundes, zum Beispiel über Tourismusverbände oder von Kommunen, die Museumsträger sind. Auf Unterseiten der Internetpräsentation finden sich irgendwo städtische Müllabfuhr und städtische Museen. In Thüringen gibt es das auch. Städtische Museen in Erfurt, Weimar, Gera oder Eisenach sind im Internet schwer zu finden, können keine eigene, unverwechselbare Identität und Wahrnehmbarkeit entfalten. Ihre Handlungsfreiheit im Netz ist oft stark eingeschränkt, weil Oberbürgermeister und Stadtverwaltungen die Kontrolle über Informationen behalten wollen, die im Netz verbreitet werden.
Mal schnell ein Instagram-Foto ins Netz stellen? Einen Facebook-Account durc h das Museum selbst betreiben und über aktuelle Veranstaltungen informieren? Oder sich als Museum an einer Twitter-Diskussion im Netz beteiligen? Das geht oft gar nicht.
Das digitale Kultur- und Museumsmarketing in Thüringen ist stark zentralisiert und spezialisiert. Die App „Thuringia.MyCulture“, im April 2018 von der Thüringer Tourismusgesellschaft und dem Kulturminister vorgestellt, ist technisch auf einem guten Stand, aber inhaltlich sehr bescheiden. Nur zwei Kulturtouren, darunter ein virtueller Stadtrundgang in Erfurt, werden angeboten. Ein gerade freigeschaltetes Kultur- und Wissensportal wendet sich in erster Linie an Experten, publiziert Kultur-Meta-Daten und digitalisierte Objekte aus Thüringer Archiven, Sammlungen, Bibliotheken und Museen.
Wie Digitalisierung für mehr Wahrnehmbarkeit sorgt, beweist das kleine Museum Burg Posterstein im Altenburger Land. Das Museum bespielt professionell alle digitalen Plattformen, vernetzt sich mit anderen Museen und mit Internet-Usern, die das Haus vor Ort auch besuchen, experimentiert mit digitalen Museumsformaten wie aktuell einen Instagram-Walk mit dem Hashtag #Schlössersafari, verbunden mit einer Ausstellung.
Das Hennebergische Museum Kloster Veßra hat professionelle Audio-Führungen mehrsprachig produzieren lassen. Die Dateien können von Besuchern von der Internetseite des Museums auf das eigene Smartphone heruntergeladen werden. Ab dem Frühjahr gibt es dafür auf dem Museumsgelände einen Hotspot mit freiem W-Lan-Zugang. Das ist die Ausnahme in Thüringer Museen.
Mit digitalen Anwendungen können Museumsobjekte archiviert und präsentiert werden. Digitale Werkzeuge helfen in der Besucherforschung. Was wissen Museen und Kultureinrichtungen über ihre Besucher, deren Wünsche und Erwartungen? Am meisten nachgefragt wird auf der Tagung in Wernigerode der „digitale Baukasten aus Bayern“, den Christian Gries und Kollegen gemeinsam mit Museen entwickelt und getestet haben. Digitale Werkzeuge verschaffen Museen viel mehr Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit in der analogen und digitalen Welt. Sie sind für Besucher eine Brücke ins Museum.