Wer jährlich über 100.000 Besucher in seinem Wohnhaus empfängt, der muss auch mal renovieren. So gerade geschehen bei einem gewissen Friedrich Schiller in Weimar.
Schiller? Friedrich Schiller? Richtig, VIP aus Weimar. Journalist, Autor, Dichter, Dramatiker, Historiker und Liebhaber fauler Äpfel in seiner Schreibtischschublade. Das ist zwar über 200 Jahre her, aber der Nachruhm strahlt kräftig und lockte letztes Jahr 105.000 Besucher in die Weimarer Schillerstraße 12 in Schillers Wohnhaus. Das ist seit 1988 mit einem damals neugebauten Schiller-Museum verbunden. Neben dem Panorama Museum in Bad Frankenhausen ist das der einzige Museumsneubau aus der DDR-Zeit.
Dieses Jahr war nun eine Renovierung fällig, Wohnhaus und Museum sieben Monate geschlossen. Seit gestern können Besucher wieder Laufspuren und Druckstellen im Wohnhaus hinterlassen. Die alten Laufspuren und Druckstellen sind beseitigt worden, ist dem Baustellenreport zu entnehmen. Immerhin 400.000 Euro aus dem Etat der Klassik Stiftung Weimar, also von uns Steuerzahlern, sind in die Renovierung, Reparatur und Instandsetzung von Fenstern, Fußböden, Treppen, Handläufen von Treppen und in eine neue Trennwand im Foyer zwischen Wohnhaus und Museum investiert worden.
Das liest sich ganz trivial, aber die Handwerker haben Fußböden vom alten Lack befreit und gereinigt, anschließend Leimlösche und Wachse aufgebracht, wie das im 18. und 19. Jahrhundert üblich war. Die alten Fensterläden wurden aufwändig aufgearbeitet und instand gesetzt. Die neue gläserne Wand mit Tür im Foyer kann man vielleicht übersehen. Hoffentlich stößt sich da kein Besucher, der aus dem Wohnhaus kommt oder ins Museum eintreten will. Dieses gläserne und abschließbare Konstrukt verbessert erheblich das Klima im Museum, in dem im nächsten Jahr wertvolle Cranach-Gemälde und andere Originale der berühmten Künstler und aus ihrer Werkstatt ausgestellt werden sollen. 2015 ist Cranach-Jahr mit Ausstellungen in Weimar, Eisenach und Gotha.
Im Wohnhaus und Zwischenbau steht und hängt alles am gewohnten Platz: die Inneneinrichtung, die Bilder und Büsten, die Tafelausstellung über Schillers Leben und Schreiben. Im ersten Obergeschoss im Eckzimmer, dem Allerheiligsten, befindet sich Schillers Arbeitszimmer. Ein gut polierter Schreibtisch, Papier, Feder und der Blick auf die Schillerstraße. In der Schreibtischschublade liegen keine faulen Äpfel mehr. Deren Duft inspirierte Schiller beim Schreiben, so geht die Anekdote nach Eckermanns Gesprächen mit Goethe. Die Luft ist also rein für einen Rundgang durch das Haus.
Den können Kinder künftig in Begleitung von Schillers Tochter Caroline unternehmen. Die jüngsten Besucher bekommen was auf die Ohren, einen Audioguide. Caroline führt durch Vaters Haus, erzählt Geschichten, plaudert aus dem Nähkästchen. Wie war das mit Vaters Lieblingsspeise? Wie aufgeräumt war ein Kinderzimmer vor 200 Jahren? Jeden Freitag Nachmittag und Sonnabend öffnet das Studiolo im Wohnhaus. Das ist eine Werkstatt für große und kleine Besucher, die mit Feder schreiben, mit Schere, Papier und Stoffen Fächer und Silhouetten schneiden wollen.
Ein Besuch im Weimarer Wohnhaus von Friedrich Schiller ist ganz abwechslungsreich. In der digitalen Welt der Gegenwart locken die analogen, alten, angeblich verstaubten Klassiker Goethe und Schiller in Weimar immer noch und immer wieder die meisten Besucher an. Die Fakten: ins Goethehaus und ins Schillerhaus und in die beiden Museen kommen alljährlich über 300.000 Besucher. Das ist spitze im Kosmos Weimar.
Zuerst veröffentlicht im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort Suhl am 03.12.2014, hier leicht bearbeitet, im Internetauftritt hinter der Bezahlschranke.