Comic in der DDR

Helden der Kindheit: Fix Fax Digedags

Das Besucherbuch ist voll des Lobes. Leider begegnete ich bei meiner Visite keinen anderen Besuchern in dieser sehenswerten Sonderausstellung „Comic in der DDR“.

An der Fassade des Stadtmuseums im Zentrum von Gera hängen zwei Werbebanner. Das eine macht aufmerksam auf eine kleine Werkschau des berühmtesten Künstlers der Stadt, Otto Dix. Er würde am 2. Dezember 125 Jahre alt. Auf dem anderen Werbeträger steht „Comic in der DDR“, so der etwas einfallslose Titel der sehr schönen, ein bisschen unübersichtlichen Sonderausstellung. Mit den Bildergeschichten von Fix und Fax, den Digedags und Abrafaxen, mit Otto und Alwin und Atomino sind Generationen von Kindern groß geworden. Sie haben lesen und schauen gelernt, gelacht und gegrübelt über witzig-kritische, literarische, phantastische und auch primitiv propagandistische Geschichten in Bildern und Worten.

Anschauen und lesen, nicht mitnehmen.
Anschauen und lesen, nicht mitnehmen.

Die Erinnerungen an die Helden der Kindheit, aufgeschrieben im Besucherbuch der Ausstellung, sind alle positiv besetzt. „Schöne Reise in meine Kindheit“, steht da oder „da lacht mein Fanherz“ oder „für Oma Andrea viele Erinnerungen, für Enkelkind Lorena aus dem Schwabenland neue Eindrücke“. Das „Mosaik“ war in der DDR Kult und Bückware, ein Comic, aber nicht aus dem Westen, wie der englische Begriff vielleicht suggeriert. Die Helden hießen Dig, Dag und Digedag und reisten von 1955 bis 1975 durch ferne Länder, erlebten unglaubliche Abenteuer. Die jungen Leser litten und lebten mit ihnen.

Im Geraer Stadtmuseum sind rund 90 Comic-Serien mit 300 Objekten, vor allem Heften, zu sehen, darunter etwa 70 Mosaikhefte, beginnend mit der Nummer 1 vom legendären Hannes Hegen, der eigentlich Johannes Hegenbarth hieß. Die Hefte liegen aufgestapelt und aufgeschlagen in Vitrinen, sind in Bilderrahmen platziert, neuere Exemplare auf Tischen zum Schauen und Lesen. Die älteren Hefte, na klar, sind zerfleddert und zerlesen. Der Besucher schaut und liest und staunt und erinnert sich an die Abenteuer der Digedags, die 1975 von den Abrafaxen abgelöst wurden. Dahinter verbirgt sich ein tiefer, lang anhaltender Konflikt zwischen dem namenlosen Kollektiv, das zeichnete, colorierte und produzierte und dem berühmten Übervater.

Hannes Hegen, der legendäre Übervater der Digedags. Fotos: mip
Hannes Hegen, der legendäre Übervater der Digedags. Fotos: mip

Eine sehr sehenswerte 43-minütige Filmdokumentation „Das Geheimnis der Digedags – Kult-Comic aus der DDR“ vom Rundfunk Berlin Brandenburg, erstmals ausgestrahlt im Dezember 2015, läuft als Endlosschleife in der Ausstellung. Sie erzählt unter anderem über den Konflikt, lässt Zeitzeugen sprechen, berichtet über das „Verschwinden“ von Hannes Hegen aus der Öffentlichkeit nach seiner Niederlage im Rechtsstreit 1975 bis hin zu seiner Beerdigung 2014. „Es gab jeden Tag was zu lachen“, wird er dort zitiert. Die Doku ist auch frei im Internet zu sehen.

Neben dem „Mosaik“ gab es „Atze“, „Bummi“, „Frösi“ und „Trommel“, veröffentlichten Zeitschriften für Erwachsene auch Bildergeschichten für Kinder. Im Rückblick, kommentiert der Kurator der Ausstellung, Matthias Wagner, exisitierte eine bemerkenswert vielfältige und bunte Comic-Szene in der ostdeutschen Medienlandschaft. Wer Zeit und Muße in die Ausstellung mitbringt, wer zu lesen beginnt, der taucht ein in die Bilder und Geschichten, die nach Amerika und in den Orient führen. Die Serien mit Ritter Runkel waren und sind Kult. Weltgeschichte und Weltliteratur, Spartacus und „Das Gespenst von Canterville“, werden lebendig und lesenswert. Karl May erlebte in der späten DDR-Zeit eine Renaissance mit Winnetou und Old Shatterhand als Comic-Helden.

Der Kult der Kindheit hält immer noch und wieder an. Nachwachsende Generationen entdecken für sich neue Helden, die in die Jahre gekommen, aber scheinbar ewig jung geblieben sind. Die Geraer Ausstellung verdient viele neugierige, schaulustige Besucher. Aber vorher auf die leider sehr eingeschränkten Öffnungszeiten schauen.

SERVICE
Comic in der DDR
Laufzeit bis 19.02.2017
Stadtmuseum Gera | Museumsplatz 1
geöffnet Mi-So 12-17 Uhr

Der Beitrag erschien zuerst im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort Suhl – und im Netz hinter der Bezahlschranke.

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