Im Museum Barberini in Potsdam steht aktuell Kunst aus der DDR im Blickpunkt. Die Ausstellung „Hinter der Maske“ versammelt über 100 Kunstwerke von ca. 80 Künstlern, darunter viele alte Bekannte in neuen Kontexten und Interpretationen.
Besucher betrachten Kunst aus unterschiedlichen Perspektiven. Das ist normal und gut so. Da spielen Kennerschaft und Kunsterfahrungen eine Rolle, die individuelle Sozialisation, weil man Kunst und Künstlern vor Jahren schon einmal in anderen Kontexten begegnete. Kunst, in der DDR entstanden, ist so ein Fall, der Gemüter erhitzt und zu kontroversen Diskussionen führen kann. Der Potsdamer Schau gelingt die Balance: Präsentation von und Information über Kunst in der DDR im politischen Kontext sowie deren Interpretation. Dem Besucher wird ein Angebot gemacht, er wird ideologisch nicht vereinnahmt.
Das zu Beginn dieses Jahres im Zentrum von Potsdam neu eröffnete private Museum Barberini des Unternehmers und Kunstsammlers Hasso Plattner ist in ganz kurzer Zeit zu einem Publikumsmagneten geworden, in zehn Monaten kamen bisher mehr als 500.000 Besucher. Das liegt an den attraktiven Ausstellungen, an deren Präsentation, Vermittlung und Vermarktung, die es Besuchern leicht macht und ein junges, mit dem Internet aufgewachsenes Publikum bewusst anspricht.
Das werbende Bild der Ausstellung „Hinter der Maske“ ist der „Seiltänzer“ von Trak Wendisch, zu dem fast jeder Betrachter einen Zugang findet. Entstanden 1984 noch vor der einsetzenden Perestroika, malt der damals junge Künstler ein farbintensives, durchkomponiertes Bild. Ein Seiltänzer im roten Overall und mit Dreispitz balanciert über dem Abgrund, in den er schaut. Ein erschrockener Blick vor dunklem Hintergrund mit viel Schatten und wenig Licht dominieren. Der Künstler provoziert, stört, formuliert eine Vision, die Jahre später eintritt. Die Republik, die sich deutsch und demokratisch nennt, wird scheitern.
Dem Bild begegnet der Besucher im Ausstellungsteil „Maskenspiele. Verkleidung und Verhüllung“, flankiert von Gemälden von Werner Tübke „Familienbildnis in sizilianischen Marionettenausrüstungen“(1977) und von Heinz Zander „Selbst als Manierist mit Schlafmütze“ (1989). „Die Maske ist das Leitmotiv der künstlerischen Selbstbehauptung“, schreibt die Dresdner Kunsthistorikerin Susanne Altmann im Katalog. Sie gehört zu einer jüngeren Generation von Kunstwissenschaftlern und Kuratoren, die über Kunst in der DDR forschen und publizieren, die unideologisch und kritisch andere, neue Zugänge zu Kunst und Künstlern suchen.
Die Maske steht für Selbstbehauptung, für Rollenspiele in der Gesellschaft, für das Janusköpfige, für Minenspiele und viele, öffentlich ausgestellte Gesichter. Das ist eine gängige Metapher, die gleich im ersten (von neun) Ausstellungsteil „Malerbilder“ eindrücklich und überraschend zu erleben ist. Das „Selbstbildnis“ von Hans Grundig (1946), die frische Erinnerung an Krieg und Verlust ist eingegraben in Gesicht und Körpersprache, führt einen stillen Dialog mit Willi Sitte „Selbst mit Tube und Schutzhelm“ (1984), der mit nacktem Oberkörper und Malerpalette stolz und selbstbewusst auftritt. Im gleichen Saal mit neuer Überschrift „Spiegelungen“ finden sich zwei wunderbare, suggestive Selbstporträts (1947/1966) von Gerhard Altenbourg. Elisabeth Voigts „Verlorene Illusion“ (um 1945) aus dem Lindenau-Museum Altenburg zitiert den Malstil von Max Beckmann. A. R. Pencks „Ich“ (1970) ist ein Beispiel für die zeichenhafte Bildsprache des Künstlers.
Die Qualität und Vielfalt der ausgestellten Kunstwerke und die große Zahl der vertretenen Künstler sind ein großer Vorzug der Ausstellung. Malerei dominiert, wenige Papierarbeiten, Plastiken und Experimentelles, ein bisschen Fotografie, keine Künstlervideos. Dafür reicht die Ausstellungsfläche nicht aus. Vier Generationen von Künstlern sind vertreten: von dem 1889 geborenen Hermann Glöckner bis Micha Brendel, Else Gabriel und Sabine Herrmann (um 1960 geboren), Künstler, die in der DDR geblieben sind und solche, die weggingen, etablierte und boykottierte Künstler. Mit Thüringen verbundene Künstler sind oft mit repräsentativen Werken zu sehen, darunter Karl-Heinz Adler, Gerhard Altenbourg, Fritz Cremer, Otto Knöpfer, Gerda Lepke, Paul Michaelis, Baldur Schönfelder, Werner Stötzer, Werner Tübke, Dieter Weidenbach, Heinz Zander.
Erstmals seit 1990 sind die 16 großformatigen, jetzt restaurierten Gemälde aus dem Berliner Palast der Republik öffentlich wieder ausgestellt. „Dürfen Kommunisten träumen?“, lautete der staatliche Auftrag Mitte der 1970er-Jahre. Walter Womackas gleichnamiges Bild eröffnet diesen dokumentarischen Ausstellungsteil. Künstlerische Qualität kann man den wenigsten Arbeiten bescheinigen. Aber da gibt es einige, die eine magische Sogwirkung ausüben. Gegenüber dem träumenden Kommunisten hängt das luftige, lichtflimmernde Bild „Menschen am Strand“ von Hans Vent, in dem die Fantasie des Betrachters spazieren gehen kann.
Besucher können sich auf der Internetseite des Museums auf die Ausstellung einstimmen, eine kostenlose App für Smartphones und Tablets im Netz herunterladen, die zugleich als Audioführer durch die Ausstellung begleitet. Freies W-LAN im Museum ist selbstverständlich. Klassische Vermittlungsangebote gibt es ebenfalls: Faltblätter, Führungen für Gruppen, Begleitveranstaltungen, spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche, ein vorzüglicher Katalog zur Ausstellung. Das private Museum Barberini ist ein professionell geführtes Kunsthaus und Unternehmen im 21. Jahrhundert.
Der Beitrag erschien zuerst in der Tageszeitung Freies Wort. Hier ist die ungekürzte Fassung veröffentlicht.
Ausstellung läuft bis 04.02.2018
geöffnet Mi-Mo 10-19 Uhr
Sehr schöner Bericht der neugierig macht!
Werde hinfahren. Vielen Dank!