So viel Licht, Sonne und Seele

Claude Monet verführt und verzaubert. Aus seinen Bildern leuchten und verglühen seine Seelenstimmungen von Orten und Landschaften. Die großartige Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam feiert den Maler des Impressionismus und der Moderne.

Monet, Seerosenteich, 1918.

Erstmal Bilder gucken, bevor geredet wird. Schnell im Museum Barberini hoch unters Dach, letzte Station und Höhepunkt im Ausstellungsrundgang. In den Garten von Monet. In die phantastische Welt von Farben, Wasser, Natur, Architektur und Atmosphäre eintauchen. In die magische Bilderwelt von Claude Monet (1840-1926) versenken.

Der Garten in Giverny mit Seerosenteich, japanischer Holzbrücke und exotischer Vegetation ist ein Sehnsuchtsort, ein Paradies, ein Reiseziel für Kunstfreunde aus aller Welt. Monet malte über 250 Motive dieses Zaubergartens, oft in Serien. In einem Ausstellungssaal des Museums hängen allein 16 Gartenbilder, vor allem Variationen des berühmten Seerosenteiches. Wie sich Licht und Wasser spiegeln, die Farben verlaufen. Immer wieder neu und anders. Die japanische Brücke im Garten, zwei Motive und Bilder aus dem Spätwerk, scheint sich im furiosen Farbenmeer aufzulösen. Die Gartenbilder haben eine magische Anziehungskraft auf die Besucher in jedem Museum der Welt.

Vier von 16 Gartenbildern in einem Ausstellungssaal.

In Potsdams Barberini hat der Kunstsammler, Stifter, SAP-Gründer und Milliardär Hasso Plattner vor ca. 200 Medienleuten und Kunstexperten das erste Wort vor Eröffnung der Ausstellung. Er hat etwas zu sagen, das überrascht und überwältigt. Die Plattner Foundation wird ihre Sammlung von 104 Meisterwerken des Impressionismus und Postimpressionismus dem Museum Barberini in Potsdam als Dauerleihgabe überlassen. Sie wird ab September 2020 im Museum permanent zu sehen sein. Darunter befinden sich Bilder von Monet, Caillebotte, Pissarro und Renoir, die von der Plattner Foundation erst jüngst erworben wurden. Das Barberini wird ein Museum mit einem Schwerpunkt auf Kunst des Impressionismus, mit der zweitgrößten Sammlung in Europa nach dem Pariser Musée d´Orsay.

Hasso Plattner (Mitte), Ortrud Westheider und Christoph Heinrich nach der Pressekonferenz.

Der ersten folgt eine zweite Überraschung. Das 1890 von Claude Monet gemalte Bild „Getreideschober“, eine Ikone des Impressionismus, gehört zur Sammlung der Plattner Foundation. Ein bisher Unbekannter hatte es am 15. Mai 2019 bei einer Auktion von Sotheby´s in New York für die Rekordsumme von 111 Millionen Dollar ersteigert. Hasso Plattner macht den Erwerb in Potsdam öffentlich. Das teuerste impressionistische Gemälde gehört seiner Stiftung. Das ist ein weithin hörbarer Paukenschlag in der Kunstwelt und eine sehr großzügige Dauerleihgabe, mit der das Museum Barberini endgültig in die erste Liga der internationalen Kunstmuseen aufsteigt.

Zwei „Getreideschober“: vorn das teuerste, hinten das erste von Plattner erworbene Bild.

Die Ausstellung „Monet.Orte“ gerät da ein wenig aus den Augen und aus dem Sinn. Sie verdient größte Aufmerksamkeit und dürfte Kunstfreunde in Scharen nach Potsdam pilgern lassen. Der auf den ersten Blick vielleicht unscheinbare „Getreideschober“ von 1890, das sind vier Heuhaufen, die von links in ein seltsam zauberhaftes Licht getaucht sind. Monet malte die vier Heuhaufen vor der Natur in der Nähe von Giverny, wie auch drei weitere Bilder mit dem Motiv, die im Barberini zu sehen sind. In einer Blickachse hinter dem Star der Ausstellung strahlt so ein anderer Getreideschober in der Mittagssonne. Das ist der erste Monet, den Hasso Plattner 1988 erwarb, das erste Bild überhaupt, mit dem er seine herausragenden Kunstsammlungen begründete.

Ein Heuschober im Hof des Museums, vorn Mattheuers „Jahrhundertschritt“.

Die Ausstellung präsentiert 110 Bilder von Monet aus seiner gesamten, über 70 Jahre währenden Schaffenszeit. Darunter befinden sich allein 34 aus der Sammlung Plattner. Durch die Kooperation mit dem amerikanischen Denver Art Museum, das über eine hochkarätige Sammlung verfügt, und Leihgaben aus über 60 internationalen Museen und Sammlungen, gelingt dem Museum Barberini der Zugang in das amerikanische und in ein weltweites Netzwerk von Kunstmuseen. Das ist für den künftigen Austausch hochkarätiger Kunstwerke und für Kooperationen enorm wichtig. Ganz nebenbei: Barberini-Direktorin Ortrud Westheider und Denver-Direktor Christoph Heinrich begannen vor 25 Jahren in Hamburg gemeinsam ihren Berufsweg.

Die beiden Direktoren und die Kuratoren Daniel Zamani und Angelica Daneo ordnen Monets Bilder nach Orten und Regionen, die der Maler im Laufe seines langen Lebens besuchte, wo er wohnte, die er, wie den Garten in Giverny, selbst gestaltete. In zwölf Stationen kann der Besucher diese Zeitreise durch die Kunst des Impressionismus bis zur Moderne nachvollziehen: ästethisch, stilistisch, mental und emotional. So viel Licht, Sonne und Seele scheinen auf den Bildern von Monet durch und doch so anders bei den gleichen Motiven, die er in Serien immer wieder malte. Von Monet ist der Satz überliefert: „Ich möchte von der Sonne nicht gelangweilt werden.“

Der junge Monet seiner Zeit und sich selbst voraus: „Der Hafen von Le Havre“, gemalt 1873.

Endlich Bilder gucken. Der junge Monet, der Häfen und Küstenszenen realistisch malt. Plötzlich blitzten auf einem Bild Leuchtpunkte in der Nacht auf: „Der Hafen von Le Havre“ (1873) scheint in Malweise und Stimmung den Künstler um Jahre vorauszueilen. Reisen und Flanieren in Paris, entlang der Seine und im Wechsel der Jahreszeiten. Urbanes Leben, Bahnhöfe und Lokomotiven, mit Menschen belebte Parks. Monets Pinsel huscht skizzenhaft über die Leinwände. Andere Bilder und Stationen: Flüchtige Farben des Nebels und der Brücken in London, großartige Landschaften und ein verschlafenes Seine-Dorf. Holland, die Riviera, das zauberhafte Licht in Venedig. Besucher können mit offenen Augen träumen in dieser Welt der Farben und Stimmungen.

Monets „Strada Romana“ in Bordighera, entstanden 1884.

Die Ausstellung ist ein Fest für Kunstfreunde. Claude Monets Bilder in dieser Opulenz, ein Lebenswerk ausbreitend, die Sinne und Seele berührend. Wer nach Potsdam pilgert, sollte rechtzeitig im Internet eine Eintrittskarte kaufen, um Wartezeiten zu vermeiden. Die Website stimmt ein auf den Besuch, die Barberini-App für Smartphone und Tablet führt durch die Ausstellung (freies W-Lan). Der Katalog reproduziert fast alle Bilder (nicht den 111-Millionen-Heuschober), erzählt die Geschichten der Orte und aus Monets Leben. Der europäische Kulturkanal ARTE sendet einen Film zur Barberini-Ausstellung „Claude Monet – Im Licht des Augenblicks“ am 1. März um 16 Uhr, danach in der ARTE-Mediathek abrufbar.

So viele Bilder von Monet an einem Ort muss man sehen.

Der Beitrag erschien zuerst in der Tageszeitung Freies Wort (Print, E-Paper)
und wird hier erstmals online veröffentlicht. Alle Fotos/Screenshot: miplotex

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