Wie sollen Theater und Orchester, Museen und andere Kultureinrichtungen in Thüringen die Corona-Pandemie finanziell überstehen? Viele haben geschlossen oder sind nur eingeschränkt geöffnet. Ein Rettungspaket Kultur in Höhe von ca. 30 Millionen Euro soll die prekäre Lage überbrücken.
In einem fünfseitigen Brief vom vorletzten Sonntag an die Kulturschaffenden in Thüringen kündigte Kultur-Staatssekretärin Tina Beer unter anderem ein sogenanntes Sondervermögen in Höhe von 24 Millionen Euro „zur Sicherung der kulturellen Infrastruktur“ an. Konkret bestätigt die 32-jährige Staatssekretärin, mit der Wahl der zweiten Regierung Ramelow seit 4. März 2020 neu im Amt, dass die institutionell vom Land geförderten Theater und Orchester in Thüringen mit neun Millionen Euro an zusätzlichen Zuschüssen in diesem Jahr rechnen können, dem größten Anteil des Rettungspaketes Kultur. Damit sollen Einnahmeausfälle kompensiert werden, weil seit Mitte März der komplette Vorstellungsbetrieb bis voraussichtlich 31. August 2020 ruht.
Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff dämpfte nach einer Videokonferenz letzten Mittwoch mit den Theaterintendanten die Hoffnung, dass ab 1. September 2020 mit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs gerechnet werden könnte (Freies Wort berichtete). Im Gegenteil: Er sprach davon, dass bis zum Jahresende 2020 keine Vorstellungen stattfinden könnten. So ergibt sich die Summe von neun Millionen Euro zusätzlich an die Theater, bestätigte Staatssekretärin Beer die Rechnung, die sich auf ein Jahr bezieht.
Für die ca. 230 hauptamtlich geführten Museen in Thüringen sollen zusätzlich 4,4 Millionen Euro bereitgestellt werden, erklärte Staatssekretärin Beer. Die Wartburg in Eisenach soll 2,5 Millionen Euro erhalten, um vor allem Einnahmeverluste durch ausbleibende Besucher zu kompensieren. Die Wartburg-Stiftung erhält öffentliche Zuschüsse von Bund, Land und Dritten ausschließlich für Investitionen, aber nicht für laufende Betriebskosten, die über eigene Einnahmen erwirtschaftet werden müssen. Die Klassik Stiftung Weimar und die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten können zusätzlich jeweils 1,5 Millionen Euro erwarten, die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha 500.000 Euro mehr.
Freude herrscht bei Einrichtungen der Soziokultur und der freien Theater, die zusammen auf zusätzliche 5,2 Millionen Euro hoffen dürfen. Sie hatten in der jüngsten Vergangenheit mehrfach auf ihre prekäre Lage aufmerksam gemacht. Für die Solo-Selbstständigen im Kulturbereich plant die Landesregierung eine eigene Förderung, erwartet aber vom Bund ein Programm. Eine entsprechende Bundesratsinitiative hätten die Kulturminister der Länder eingebracht, sagte Kultur-Staatssekretärin Beer.
Festivalveranstalter in Thüringen können mit insgesamt 4,8 Millionen Euro aus dem Rettungspaket Kultur rechnen. Die geplante Summe bestätigte gegenüber unserer Zeitung die Kulturausschussvorsitzende im Thüringer Landtag, Katja Mitteldorf (Die Linke). Damit sollen Verluste aus abgesagten bzw. ins nächste Jahr verschobene Sommerfestivals abgemildert werden. Wie bekannt, wurden bisher die Thüringer Bachwochen, das Rudolstadt Festival, das Festival Sonne Mond Sterne und weitere Open-Air-Veranstanstaltungen abgesagt.
Laut der Kulturausschussvorsitzenden Katja Mitteldorf werden die Landtagsfraktionen Die Linke, SPD und Bündnis90/Grüne den Gesetzentwurf über ein Sondervermögen (Wirtschaftsplan mit Summen ab Seite 40ff), der das Rettungspaket Kultur mit enthält, zur Landtagssitzung am 8. Mai auf den parlamentarischen Weg bringen. Geplant sind Anhörungen von Thüringer Spitzenverbänden der Kultur. Im parlamentarischen Verfahren ist noch mit Veränderungen am Zuschnitt des Rettungspaketes Kultur zu rechnen, erwartet Frau Mitteldorf. Sie nennt unter anderem den kommunalen Kulturbereich und ein Landesprogramm für Solo-Selbstständige, für das sich die Landesregierung stark macht. Auf einer Landtagssitzung voraussichtlich am 29. Mai 2020 könnten das Sondervermögen und damit das Rettungspaket Kultur verabschiedet werden. Dann müsste neben den drei die Minderheitsregierung Ramelow tragenden Fraktionen auch die CDU-Fraktion zustimmen.
Jenseits des vom Land sehr gut ausgestatteten Rettungspaketes Kultur steht die Frage, wann und unter welchen Bedingungen der Kulturbetrieb in Thüringen wieder anlaufen kann. Das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Blick in die Glaskugel. Kultur-Staatssekretärin Tina Beer sagt, dass sei davon abhängig, wie sich die Infektionszahlen entwickeln, der Gesundheitsschutz für die Menschen habe Priorität. Und: „Wir wollen als Land keinen Flickenteppich in der Kultur.“ Sie meint damit zum Beispiel, wenn in Meiningen das Staatstheater wieder öffnet und die Hofkapelle spielt, dann auch alle anderen Theater und Orchester in Thüringen.