„Ziemlich geil!“ Da sind sich die jungen Leute einig. Das sagen sie über „Sibylle“, die nur 39 Jahre alt wurde. Da sind noch zwei andere Ausstellungen in Gera „ziemlich geil“ oder seriös formuliert „ziemlich sehenswert“.
Die Sonderausstellung im Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Gera lockt auch ein junges Publikum an. Die älteren, in der DDR sozialisierten Besucher, erinnern sich. „Sibylle“ war Kult, die beste Freundin vieler Frauen, mit der auch mancher Mann schöne Stunden verbrachte.
„Sibylle. Frauen und Mode in der DDR“ ist die Ausstellung im MAK überschrieben, eine Kooperation mit der Kunsthalle in Rostock. „Sibylle“ war eine der begehrtesten Frauenzeitschriften, erschien ab 1956 alle zwei Monate mit einer Auflage von 200.000 Exemplaren. 40 Seiten Mode, 40 Seiten Kultur, mit tollen, auch experimentellen Fotografien von herausragenden Fotografinnen und Fotografen, vorzüglich gestaltet. Schöne, starke, selbstbewusste Frauen in Kleidern aus Modebetrieben der DDR, Trends aus westlichen, fernen Ländern aufgreifend. Die Zeitschrift zeigt und berichtet über den „anderen Alltag“ in der DDR, inszeniert Sehnsüchte und Illusionen, ist ein Spiegelbild hoher Ansprüche an Mode und Kultur in der DDR-Gesellschaft.
Die Ausstellung nimmt den Besucher mit auf eine ganz besondere Zeitreise durch einen Alltag mit Facetten von Grau, der Gegensätze und Widersprüche bewusst inszeniert, ironisch unterläuft, Frauen und Models immer wieder neue Podien und Perspektiven bietet. Das Coverbild der Ausstellung stammt von einem der bekanntesten Fotografen, von Günter Rössler. Die „Sibylle“ auf dem Titel der zweiten Ausgabe 1964 heißt Barbara, ein starkes Porträt einer natürlichen, schönen, verführerischen Frau.
Erzählt wird die Geschichte der Zeitschrift mit ihrem Fokus auf Mode und Kultur. Das ist vor allem eine großartige Foto-Ausstellung: die vielen Cover-Bilder einzelner Ausgaben (aus dem Bestand des MAK), die stillen und schrillen Porträts von Frauen, inszenierte Aufnahmen vor urbanen Landschaften und in alltäglichen Situationen. „Kumpels, Kohlen, Kapriolen“ lautet der Titel einer Langzeitserie von 1956 bis 1965 mit den gut angezogenen Models und Kohlekumpels in ihrer schwarzen Kluft, die amüsiert und distanziert den schönen Frauen nahe sind.
Die Fotos gewinnen mit den Jahren an Dynamik, Witz, Nachdenklichkeit, werden experimenteller. Sie dokumentieren nicht nur das andere Leben in der DDR. Sie erreichen eine künstlerische Kraft und Ausstrahlung, die noch heute magisch anzieht. Das ist auch ein Spaziergang durch die Fotografie-Geschichte der DDR, mit der sich große Namen verbinden: Sibylle Bergemann, Arno Fischer, Ute und Werner Mahler, Sven Marquardt, Roger Melis und andere. Sie werden alle mit ihren Fotos vorgestellt. Dabei fällt auf, dass einige von ihnen Wurzeln in Thüringen haben oder hier arbeiteten.
Wer sich an Mode und das Angebot in den Läden erinnert, weiß, dass es längst nicht alles zu kaufen gab. In der „Sibylle“ stecken oft Schnittmusterbogen. Jedes fünfte Teil nähen Frauen in der DDR selbst. Einige Teile sind in der Ausstellung zu sehen. Sie ist eine Hommage an schöne, starke, selbstbewusste Frauen in der DDR und an die künstlerische Fotografie, die mit Namen großartiger Fotografinnen und Fotografen verbunden ist.
Der erste Blick in der Ausstellungshalle der Geraer Orangerie fällt auf ein Bild mit drei Frauen, fotorealistisch gemalt. Sie haben eine besondere Ausstrahlung jenseits der Realität. Die „Frauen auf der Straße“ von Pyke Koch sind ein „Hingucker“ in der Ausstellung „Wundersam wirklich. Magischer Realismus aus den Niederlanden“. Zu sehen sind mehr als 50 Gemälde und Zeichnungen von zehn Künstlerinnen und Künstlern aus dem Bestand des Museums Arnhem, der Partnerstadt von Gera.
Porträts, Stillleben und Landschaften sind thematische Schwerpunkte. Die oft fotorealistischen Darstellungen verweisen dennoch auf eine andere Welt: rätselhaft, manchmal bedrohlich, mit einer eigenartigen Lichtstimmung. Der Begriff „Magischer Realismus“, geprägt von dem in Apolda geborenen Kunstkritiker Franz Roh, vereint Elemente des deutschen, gesellschaftskritischen Realismus mit den Traumwelten französisch-belgischer Realisten. In der Geraer Ausstellung sind die bekanntesten niederländischen Vertreter mit wichtigen Werken zu sehen.
Die junge Künstlerin Louise te Poele aus Arnhem zitiert alte Niederländische Meister, arrangiert kunstvoll Stillleben des modernen, alltäglichen Lebens und sendet verschlüsselte Botschaften. Sie bespielt mit ihren oft großformatigen Fotografien auf Aluminium die lichtdurchflutete Beletage der Orangerie. Was die Künstlerin in ihrem Labor experimentiert und komponiert, fotografiert und am Computer vollendet, zieht Besucherblicke magisch an. Ihre Doppelporträts sind ebenso rätselhaft und suggestiv.
In den Geraer Museen ist nach Jahren der Stagnation ein neuer Aufbruch und Geist zu spüren. Die jüngsten Ausstellungen belegen das nachdrücklich. Endlich gibt es eine eigene Museumswebsite mit Bildern, Videos und Informationen, um Besuchern Lust zu machen, die Ausstellungen zu besuchen. Es lohnt sich.