„Schnellstmöglich“. Was heißt das nur? „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse schnellstmöglich öffentlich zu machen.“ Den Beschluss des Werkausschusses Theater vom 31. Januar hat die Stadtverwaltung Erfurt, Oberbürgermeister und Kulturdezernent, 3 Wochen später immer noch nicht umgesetzt. Sie verzögern, vertuschen, verhindern, wo sie nur können.
Ist das Drama? Oder Lustspiel? Oder eine Soap? Im Theater Erfurt sorgen Vorwürfe sexueller Übergriffe und Machtmissbrauch für große öffentliche und mediale Aufmerksamkeit weit über die Stadt hinaus (Teil 1 und 2). Hinzu kommt ein undurchsichtiger Umgang mit Steuer-Millionen im Theater (Teil 3). Wird der Theater- und Verwaltungsskandal jemals aufgeklärt? Teil 4 und vorläufiger Abschluss der Mini-Serie.
Am 21. Oktober 2023 veröffentlicht die Erfurter Lokalzeitung die Vorwürfe. Die damalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadtverwaltung bestätigt Vorwürfe und Ermittlungen. Sie wird danach vom Oberbürgermeister freigestellt und Ende Oktober fristlos gekündigt. Ein Arbeitsgerichtsverfahren läuft. Am 12. April 2024 ist der nächste Gerichtstermin angesetzt, der Oberbürgermeister vorgeladen.
Diejenige, die Vorwürfen nachgeht, den Skandal von Amts wegen aufklären will und öffentlich macht, wird gefeuert. Sie selbst ist jetzt eine Betroffene, die betroffenen Künstlerinnen und Künstlern eine Vertrauensperson und Ansprechpartnerin sein soll. Der Vertrauensverlust in das Amt der Gleichstellungsbeauftragten der Stadtverwaltung Erfurt könnte nicht größer sein.
Betroffene Künstlerinnen und Künstler des Theaters Erfurt wollen anonym bleiben. Sie stellen keine Strafanzeigen gegen mutmaßliche Täter. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb nicht. Die mit Untersuchungen beauftragte Kanzlei SSP-Berlin dokumentiert in einem 124-Seiten-Bericht 20 Fälle von Betroffenen.
In Erfurt fragen sich Betroffene, Beteiligte und Beobachter des Skandals, warum die Werkleiter Montavon und Klepp-Pallas nicht entlassen werden. Als Grund könnte nach ersten Ermittlungsergebnissen ein „massiv gestörtes Vertrauensverhältnis“ der Beiden zum Rechtsträger des Theaters, der Stadt Erfurt, dienen. Herr Montavon ist in Erfurt abgetaucht. Er kassiert weiter seine monatliche Vergütung und tut nichts dafür. Eine gütliche Einigung der Stadtverwaltung über eine neue „Aufhebungsvereinbarung“ seines bis 2027 laufenden Vertrages dürfte scheitern.
Die große Mehrheit des Erfurter Stadtrates hat nach harten verbalen Auseinandersetzungen mit OB und Kulturdezernent Arbeitsaufträge an die Stadtverwaltung durchgesetzt. Einige habe ich genannt: u. a. den Untersuchungsbericht „schnellstmöglich“ veröffentlichen, das „Handeln“ der Stadtverwaltung untersuchen, Sonderprüfungen der wirtschaftlichen Verhältnisse und Finanzen im Theater Erfurt. Dazu gehören der Verkauf von Bühnenbildern und „Engagements regieführender Intendanten“.
Als Frist für Ergebnisse und Untersuchungsberichte wird der 30. April 2024 in einer Stadtratsdrucksache fixiert. Für die Stadtverwaltung lehnt der Kulturdezernent in einer schriftlichen Stellungnahme dieses Datum ab. Der Oberbürgermeister stimmt in einer ausführlichen Stellungnahme in der öffentlichen Stadtratssitzung am 7. Februar (ab Minute 44) dieser Frist 30. April ausdrücklich zu. Bausewein will anschließend über die Untersuchungsergebnisse öffentlich diskutieren.
Seit 1. Februar leiten Malte Wasem und Christine Exel als Werkleiter gemeinsam das Theater Erfurt für eine unbestimmte Übergangszeit. Der 35-Jährige Wasem ist seit 2019 am Theater, erst als Orchesterdirektor, seit 2022 als Künstlerischer Betriebsdirektor und Stellvertreter des Generalintendanten. Er will den laufenden Theaterbetrieb gemeinsam mit dem Leitungsteam des Theaters (12 bis 14 Menschen) absichern. Die 39-Jährige Diplom-Kauffrau Christine Exel, „ausgeliehen“ von den Stadtwerken Erfurt, muss sich einen Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse und Verträge im und mit dem Theater verschaffen. Sie soll ein Compliance-Management im Theater einführen.
Mit Richard Wagners „Das Rheingold“ steht die nächste große Opernpremiere an. Wird der ganze „Der Ring des Nibelungen“, 4 Abende mit großem Orchester und Gastkünstlern, bis 2027 in Erfurt auf die Bühne kommen? Malte Wasem weiß das nicht. Der „Ring“ ist ein kostenintensives Vorhaben. Erst mal die Premiere am 23. März, die Domstufen-Festspiele im Sommer 2024, die Spielzeit 2024/25. Was dann kommt?
Wird er den Kontakt zu Generalintendant Montavon suchen?, fragt ein Journalist in einem Pressegespräch. Wasem: „Herrn Montavon werde ich nicht anrufen.“
Was bleibt? Wer bleibt? Was kommt? Wer kommt?
„Schnellstmöglich“. Der Theater- und Verwaltungsskandal muss aufgeklärt werden, schon im Interesse der Betroffenen. Auch wenn die Stadtverwaltung Erfurt, Oberbürgermeister und Kulturdezernent, das weiterhin verzögern, vertuschen, verhindern sollten.