Collagen von Mies van der Rohe

Architektur küsst moderne Kunst

Ludwig Mies van der Rohe, letzter Direktor des Bauhauses (1930-1933), ließ seinen Ideen von moderner Architektur und Kunst in Collagen und Fotomontagen freien Lauf. Die Kunstwerke aus dem MoMA, dem Museum of Modern Art in New York, sind jetzt im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt zu bestaunen.

Die exklusive Schau startete in der Geburtsstadt von Mies (1886-1969), in Aachen im Ludwig Forum, und sie ist jetzt in Schweinfurt zu erleben. Dort sollte sein letzter großer Entwurf für ein modernes Museum 1960 gebaut werden. Als Neue Nationalgalerie wurde der Entwurf 1968 in Berlin umgesetzt.

Die etwa 50 Collagen und Fotomontagen von Mies van der Rohe aus 55 Schaffensjahren waren bisher als eigenständige Kunstwerke in einer Einzelausstellung noch nie zu sehen. Sie verbinden Architekturdarstellungen, -modelle und -entwürfe von Mies mit Reproduktionen moderner Kunst. Das sind futuristisch anmutende Wohn- und Geschäftshäuser, urbane Lebensräume in Berlin wie die Friedrichstraße inklusive Hochhäuser, Ausstellungsentwürfe für Messen und Präsentationen. In vollkommener künstlerischer Freiheit fliegen die Ideen bei Mies auf das Papier.

Ab 1938, Mies lebt und arbeitet in den USA, entwirft er auch Museen, Theater und Verwaltungsgebäude. Er drapiert auf diese Architekturdarstellungen Holzfurnier, Stoffe, verschiedene Farbflächen, Papierausrisse und fotografische Darstellungen. Er spielt dabei mit Perspektiven und Proportionen, öffnet neue Horizonte, schafft außergewöhnliche Kontexte. Sie fangen den Zeitgeist der Moderne ein, visualisieren gestalterische und künstlerische Ideen in Zeit und Raum, ohne die Funktionalität der Architekturen berücksichtigen zu müssen.

Lehmbrucks "Stehende" vor der Collage von Mies
Lehmbrucks „Stehende Figur“ vor der Collage von Mies Entwurf für den Museumsneubau.

Die visionäre Architektur küsst die moderne Kunst. Oft entstehen große Formate, die mehrere Quadratmeter Fläche einnehmen. In der Schweinfurter Ausstellung sind bei wenigen Collagen und Fotomontagen originale Kunstwerke etwa von Paul Klee, Wassily Kandinsky oder von Wilhelm Lehmbruck hinzugefügt worden. Mies war mit ihnen befreundet, sammelte auch ihre Kunst, ließ sich davon inspirieren um andere, vielleicht, mit seinen Collagen und Montagen zu irritieren.

Das herausragende Kunstwerk in der Ausstellung ist die Collage mit dem Entwurf für den Museumsneubau in Schweinfurt von 1960. Sie wird durch Lehmbrucks „Stehende Figur“ als Blickfang bestimmt. Das Original von 1910, fast zwei Meter groß, ist vor die Wand mit der Collage platziert. Die eingeklebten Fotos im Hintergrund der Collage öffnen den Horizont weit in eine Küstenlandschaft. Schweinfurt liegt am Meer, eine Vision, die Mies van der Rohe bauen wollte, die in Berlin mit der Neuen Nationalgalerie 1968 Wirklichkeit werden sollte.

Entwurf für den nicht realisierten Museumsneubau in Schweinfurt.
Entwurf für den nicht realisierten Museumsneubau in Schweinfurt.

Die Schweinfurter Ausstellung „Mies van der Rohe. Die Collagen aus dem Museum of Modern Art, New York“ ist selbst eine Collage, ein wenig unübersichtlich gebaut und so irritierend. Wo beginnt der Rundgang? Wie wird der Besucher geführt und verführt? Wie wird er sachlich informiert über Leben und Werk von Mies und speziell über die Collagen im Kontext seines Schaffens? Da läuft in der Ausstellung ein Film über Mies und seine Bauten in Krefeld ohne einen erläuternden Kontext. Das ist sehr schade, weil das Publikumsinteresse bei unserem Besuch groß, der Raum aber viel zu klein ist.

05 SW Museum aussen
Aussenansicht Museum Georg Schäfer in Schweinfurt.

Der moderne Museumsbau aus dem Jahr 2000 im Stadtzentrum von Schweinfurt scheint wie geschaffen für eine Ausstellung über den weltberühmten Architekten und letzten Bauhaus-Direktor Ludwig Mies van der Rohe. Entworfen hat ihn der Berliner Architekt Volker Staab, der mit Museumsneu- und -umbauten u. a. in Bayreuth, Chemnitz und zuletzt in Münster beste Referenzen vorweisen kann. Er gewann gerade den internationalen Wettbewerb für den Erweiterungsneubau für das Bauhaus Archiv Berlin, der 2021 eröffnet werden soll.

Oberlichtband, klare Linien und Formensprache im Inneren des Museums.
Oberlichtband, klare Linien und Formensprache im Inneren des Museums. Alle Fotos: mip

Der Museumsbau in Schweinfurt überzeugt durch klare Formensprache mit Symmetrien und Sichtachsen. Die Architektur lässt viel Tageslicht herein, aber nicht zu viel für sensible Kunstwerke. Das moderne Museum verfügt über alle notwendigen Einrichtungen (Café, Shop, Vortragssaal, Sitzgelegenheiten in den Ausstellungssälen etc.) , die ein Besucher erwartet. Der vom Freistaat Bayern komplett finanzierte Neubau kostete nur 28 Millionen D-Mark, das überrascht noch heute.

Schweinfurt ist aus Thüringen gut mit Bahn oder Auto erreichbar. Der Besuch der Ausstellung eröffnet neue Einblicke auf das Schaffen eines weltberühmten Architekten, der aus der Bauhaus-Tradition kommt. Empfehlenswert ist der Katalog zur Ausstellung mit Fachtexten, großzügigen Reproduktionen der Collagen und historischen Fotografien.

Der Text erschien zuerst im Feuilleton der Tageszeitung Freies Wort.

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