Nachverhandeln über den Millionen-Deal

Vier Optionen hat Thüringen, wenn es jetzt mit dem Bund und dem Land Sachsen-Anhalt über die Milllionenförderung seiner Residenzschlösser und Museen verhandelt. Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) steht unter gewaltigem Druck.

Der Thüringer Kulturminister Hoff informiert zum Verhandlungsstand in Sachen Kulturstiftung Mitteldeutschland Schlösser und Gärten (KMSG).

Er habe „eine Vielzahl von Rückmeldungen“ in den letzten Wochen erhalten. Das Wort „Kritik“ fiel auch, als der Kulturminister am 16. Juni in der Thüringer Staatskanzlei in Erfurt vor Journalisten zum Stand der Verhandlungen in Sachen Kulturstiftung Mitteldeutschland Schlösser und Gärten (KMSG) referierte und reflektierte. Der vorgelegte Entwurf des Staatsvertrages erntete aus fast allen politischen Lagern und Regionen Thüringens mehr oder weniger heftige Kritik. Also blickte Minister Hoff erst einmal zurück, wie es dazu kommen konnte.

Der Deutsche Bundestag und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) wollen mit einem Sonderinvestitionsprogramm in Höhe von 200 Millionen Euro über acht Jahre die Sanierung von Schlössern, Gärten und Museen in Thüringen und Sachsen-Anhalt fördern. Hinzu kommen 240 Millionen Euro für Betriebskosten von Museen in den Schlössern und Liegenschaften. Macht über acht Jahre die stolze Summe von 880 Millionen Euro, weil die beiden Länder anteilig mitfinanzieren müssen, um die Bundes-Millionen zu erhalten. Für Thüringer Schlösser, Gärten und Museen stünden also 200 Millionen plus 240 Millionen Euro zur Verfügung.

Das Renaissanceschloss in Dornburg gehört zur Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten.

Der Bund will Geld geben und forderte eine Stiftungskonstruktion für beide Länder. Das sei „total plausibel“, so Minister Hoff. Nur welche? Die Thüringer Landesregierung entschied sich für „goldene Zügel“ und gegen „Kulturhoheit“, also ein weitgehendes Mitspracherecht des Bundes in einer Kulturstiftung KMSG, um Bauinvestitionen und Museumsentwicklung gemeinsam voranzubringen. Die vorgesehene institutionelle Förderung von Museen durch den Bund mit dem Land wäre im föderalen Deutschland ein Ausnahmefall, es gibt nur ein Beispiel dafür.

So kam es mit dem veröffentlichten Entwurf des Staatsvertrages zu einem Aufschrei: Kulturraub, Ausverkauf von Kultur, Verlust von Identität, fehlendes Mitsprache- und Entscheidungsrecht der Kommunen, in deren Region die Schlösser und Museen liegen. Die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, die 31 Liegenschaften verwaltet, sollte komplett in die neue Kulturstiftung überführt werden. Die darin befindlichen Museen, Sammlungen und Kulturgüter werden in der Regel kommunal verwaltet.

Zudem passierte den Thüringer Verhandlern auf Arbeitsebene, wie das heißt, eine peinliche Panne: Zunächst war in einem früheren Entwurf des Staatsvertrages ein gleichberechtigter Doppelsitz der neuen Stiftung vereinbart worden, der in der jetzigen Fassung fehlt. Der Stiftungssitz soll in Halle/Saale sein. Das Ungleichgewicht der einzubringenden Liegenschaften, in Thüringen 31 plus drei Zustiftungen und in Sachsen-Anhalt 18 plus neun Zustiftungen, erwies sich im Nachhinein als kritikwürdig und konfliktbeladen.

Schon frühzeitig meldete sich Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch (SPD) in der Diskussion zu Wort. Er verwies gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) darauf, dass Gothas Stiftung Schloss Friedenstein als ein Solitär in der Schlösser- und Museumslandschaft  Thüringens eigenständig bleiben und von Stadt, Land und künftig auch dem Bund dauerhaft gefördert werden sollte. Kreuch kritisierte die fehlende gemeinsame inhaltliche Basis der neuen Kulturstiftung KMSG, etwa das gemeinsame Erbe der Wettiner.

Fallen die Museen aus der vorgesehenen institutionellen Förderung heraus?

Jetzt stehen Nachverhandlungen an, die Kulturstaatsministerin Grütters nach einem Brief von Kulturminister Hoff zugesagt hat. Bundestagsabgeordnete des Haushalts- und Finanzausschusses sollen einbezogen werden. Es geht um schon einmal diskutierte Modelle. Der Bund fördert direkt beide Landesstiftungen, die institutionelle Förderung von Museen würde dabei entfallen, sagte gestern Minister Hoff. Zweite Variante: eine gemeinsame schlanke Förderstiftung Thüringen und Sachsen-Anhalt, über die die Mittel an die Landesstiftungen ausgereicht würden. Diese beiden Optionen will Thüringen jetzt mit dem Bund nachverhandeln. Dritte Option: Mit Sachsen-Anhalt wird parallel der vorliegende Staatsvertragsentwurf nachverhandelt.

Auf Nachfrage zur Zukunft der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha gab Kulturminister Hoff eine kurze, pragmatische Antwort. Werde die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) komplett in die neue Kulturstiftung KMSG überführt, dann sei die Stiftung Schloss Friedenstein künftig Teil der neuen Kulturstiftung. Das sei schon deshalb so, weil die Liegenschaften der Stiftung Friedenstein durch die STSG verwaltet werden.

Wie die Verhandlungen ausgehen, ist schwer zu sagen. Kulturminister Hoff will sich erst wieder öffentlich äußern, wenn Ergebnisse vorliegen. Der Zeit- und politische Druck ist sehr groß. Ursprünglich sollte die neue Kulturstiftung am 1. Januar 2021 ihre Arbeit aufnehmen. Davor steht aber ein zeitaufwändiges parlamentarisches Verfahren, in dem Verträge und begleitende Regelungen durch die Abgeordneten diskutiert, betroffene Kommunen, Institutionen und Verbände angehört und eine Mehrheit im Thüringer Landtag organisiert werden müssen. Vier Stimmen aus der oppositionellen CDU-Fraktion werden benötigt, weil Linke, SPD und Grüne nicht über die parlamentarische Mehrheit verfügen.

Der nahende Wahlkampf und politische Profilierungen einzelner Parteien und Politiker dürften für zusätzliche Spannungen sorgen. In Thüringen soll am 25. April 2021 ein neuer Landtag gewält werden, in Sachsen-Anhalt am 6. Juni 2021. Bundestagswahlen finden im Frühherbst 2021 statt. Das sorgt für gehörigen Druck auf allen Seiten.

Eine Option: Die Museen kommen unters Dach der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten.

Gestern verriet Kulturminister Hoff noch eine vierte Option, die er offenbar für realistisch hält. Die bestehende Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten wird reformiert und neu strukturiert. Die dort ansässigen Museen kommen unter ihr Dach. Dazu gäbe es positive Signale unter anderem von den Bürgermeistern aus Meiningen, Sondershausen und Altenburg. „Die Hülle und der Inhalt“ würden zusammengeführt, so Hoff. Er könne sich, vergleichbar wie bei Theatern und Orchestern, Verträge mit Kommunen, dem Land und der Thüringer Stiftung vorstellen. Wer hat dann das Sagen? Die Hülle, die Bauverwaltung, oder der Inhalt, die Museen und Sammlungen? Darüber würde dann „mit allen Beteiligten“ zu reden sein, so der Kulturminister.

Vier Optionen zur Zukunft der Thüringer Schlösser, Gärten und Museen. Wenig Zeit für Verhandlungen. Großer politischer Druck von allen Seiten, weil viele Interessen berührt werden. Noch müssen viele Fragen geklärt werden, um diesen Millionen-Deal abzuschließen.

Der Beitrag erschien zuerst in der Tageszeitung Freies Wort (Print, E-Paper). Er wird hier erstmals in erweiterter Form online veröffentlicht. Fotos/Screenshot: miplotex

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