Gewinner. Und Verlierer?

Hej! Erfurt ist Weltkultur. Mehr geht nicht. Freudetrunken, überwältigt, glücklich sind die Macherinnen. Glückwunsch!

Erfurter Weltkulturerbe feiern an der Mikwe, hinter der Krämerbrücke.

Am Tag nach dem Hammerschlag blieb das Museum Alte Synagoge geschlossen. Montags ist immer geschlossen. Das Erfurter Weltkulturerbe mit Alter Synagoge, Mikwe und Steinernem Haus wollen Besucher aus aller Welt aber sehen, begehen und erleben.

Wie weiter? Vielleicht öffnet das Museum Alte Synagoge künftig an sieben Tagen in der Woche? Oder doch nicht? Die Mikwe sehen bisher nur angemeldete Gruppen und Besucher. Das Steinerne Haus bleibt vorerst weiter geschlossen.

Das jüdisch-mittelalterliche Erbe in Erfurt braucht ein Welterbezentrum. Der Neubau, vielleicht ein Gebäudeensemble, soll auf dem Parkplatz hinterm Erfurter Rathaus entstehen. Dort im Boden, das wissen die Archäologen, liegen die zweite Synagoge und weitere steinerne Funde. Sie müssen gesichert, vielleicht ausgegraben und möglichst sichtbar im Welterbezentrum präsentiert werden. Das alles kann dauern.

Noch Parkplatz. Hinter dem Rathaus könnte das Welterbezentrum entstehen.

Stadtrat und Stadtverwaltung müssen Prioritäten setzen. Das Weltkulturerbe hat Priorität. Ausstellungen und Präsentationen im Museum Alte Synagoge, eröffnet 2009, sollen aktualisiert und modernisiert werden, vielleicht ab 2025. Die Mikwe könnte für spontane Besucher öffnen, also regelmäßig und planbar. Ab wann? Das Steinerne Haus soll mit dem neu zu bauenende Welterbezentrum zugänglich werden. Das kann eine Weile dauern. Vielleicht in 5 Jahren? Oder länger?

„Das alles wird viel Geld kosten“, ist im Erfurter Amtsblatt zu lesen. Wie viel? Ich spekuliere mal: Mindestens 10 Millionen Euro müssen investiert werden. Ausstattung, Personal- und Betreiberkosten nicht zu vergessen. Wer bezahlt? Wir Steuerzahler. Bund und Freistaat Thüringen wollen und sollen fördern. Die Landeshauptstadt Erfurt wird sich angemessen beteiligen müssen. Kleingeld reicht da nicht.

Was bedeutet das für die andere Kultur in Erfurt?
Gibt es Verlierer? Stadtverwaltung und Stadtrat setzen auch hier Prioritäten. Das Theater Erfurt wird garantiert bis 2032 mit einem jährlich wachsenden Millionenbetrag von Land und Stadt gefördert. Die Summe im Jahr 2023 beträgt 20,975 Mio Euro, darunter die Stadt mit 11,963 Millionen Euro. Das Puppentheater Waidspeicher wird von Land und Stadt im Jahr 2023 mit 808.533 Euro gefördert.

Das Theater Erfurt, hier der Bühnenturm, wird 2023 mit ca. 21 Mio Euro gefördert.

Die InnoLab – PopUp-Ausstellungshalle auf dem Erfurter Petersberg ist vom Stadtrat beschlossen. Investitionskosten 432.000 Euro, jährliche Betreiberkosten ca. 500.000 Euro, eher mehr. Bis 2033 soll der Neubau bzw. Umbau eines zentralen Museumsdepots fertiggestellt sein. Ebenso sind große Investitionen in das Stadt- und Naturhistorische Museum vorgesehen. Das hat gerade der Kulturdirektor im städtischen Kulturausschuss angekündigt.

Wer verliert? Die Neue Mühle im Stadtzentrum, Technisches Denkmal und Museum, ist seit 2016 und bleibt weiter geschlossen, sie dämmert vor sich hin. Das hat Erfurts Oberbürgermeister in einem Brief an den städtischen Kulturausschuss jüngst bekräftigt. Die CDU-Stadtratsfraktion will das verhindern. Die Ruine der Barfüßerkirche und der Hohe Chor, einzigartige mittelalterliche Bau- und Kulturdenkmale, sind seit 2012 geschlossen, öffnen nur sporadisch durch ehrenamtliches Engagement.

Dr. Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar, bei einem Vortrag im Hohen Chor der Barfüßerkirche. Sie empfiehlt: Groß denken und handeln.

Weitgehend geschlossen bleibt der Benaryspeicher mit seinen bemerkenswerten Schausammlungen. Nur auf Anfrage geöffnet: Wohnhaus und Atelier der Erfurter Bauhaus-Künstlerin Margaretha Reichardt. Sie steht, wenn man so will, für ein anderes Erfurter Weltkulturerbe.

Wer verliert noch? Der laufende Museums- und Ausstellungsbetrieb, das ist leider seit 10 Jahren so. Angermuseum, Stadtmuseum, Museum für Thüringer Volkskunde, Museum Schloss Molsdorf sind nur Beispiele. In Molsdorf führen Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma Besucher durch das Museum, hab ich selbst erlebt. Der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete im Mai 2023 ausführlich über die prekäre Situation in den Museen.

Prekäre Lage in Erfurter Museen, nicht nur im Schloss Molsdorf. Alle Fotos: miplotex.

Da habe ich jetzt noch gar nicht alle KULTURorte und Volksfeste in Erfurt genannt, die zum Teil viel mehr Besucher haben als, zum Beispiel, das Theater Erfurt mit 131.000 Gästen im letzten Jahr inklusive der Besucher der Domstufenfestspiele. Die waren 2022 zu fast 100 Prozent ausgelastet. Noch eine aktuelle Ansage des Oberbürgermeisters: Das Theater Erfurt bekommt wieder eine Schauspielsparte. Das wird eine „Kleinigkeit“ kosten.

Stadtverwaltung und Stadtrat setzen Prioritäten in der städtischen KULTUR. Das neu gewonnene Weltkulturerbe steht an erster Stelle, gut so. Theater werden auskömmlich finanziert. Das ist gut für Künstler, Mitarbeiter und Besucher.

Wichtige städtische Museen sind seit Jahren unterfinanziert und unterbesetzt. Das wird so bleiben, leider.

Hoffentlich täusche ich mich.

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