Black Box Theater Erfurt

Einmal jährlich öffnet sich die Black Box. Dann muss der neugierige Schreiberling flugs seinen Hintern ins Rathaus der Landeshauptstadt Erfurt bewegen.

Wer liest denn sowas? Titelblatt des Berichts.

Freundlich begrüßt mich die Leiterin Beteiligungsmanagement im Rathaus. Ich habe mich telefonisch angemeldet. Der von Wirtschaftsprüfern erstellte „Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts für das Wirtschaftsjahr vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2022 des Theater Erfurt“ liegt auf dem Tisch. Für den interessiert sich sonst niemand, sagt mir die Leiterin Beteiligungsmanagement.

Ich will Leser nicht langweilen. Aber erklären: Das Theater Erfurt ist ein Eigenbetrieb der Stadt, deshalb ist das Beteiligungsmanagement zuständig. Für Eigenbetriebe gelten Verordnungen, Gesetze und so weiter. Außenstehende erhalten einmal jährlich für kurze Zeit detaillierte Einblicke ins Innenleben.

Der „Bericht“ öffnet ein Türchen in die Black Box Theater Erfurt. Also zu Fakten, Zahlen und Zitaten aus dem sonst nicht frei zugänglichen „Bericht“, die Quelle, die ich hier sprudeln lasse.

White Box. Blick von oben auf den Bühnenturm des Theaters Erfurt.

Das Theater Erfurt ist, wirtschaftlich gesehen, ein Verlust- und Zuschussgeschäft. Das war schon immer so und gilt allgemein für öffentlich geförderte Kulturbetriebe. Das Theater erhielt im Jahr 2022 laut „Bericht“ insgesamt 20,865 Millionen Euro Zuschüsse, darunter von der Stadt Erfurt knapp 12 Millionen, vom Freistaat Thüringen knapp 9 Millionen. Mit Umsatzerlösen von 4,431 Millionen Euro addiert sich das zu einem Gesamthaushalt von über 25 Millionen Euro für das Theater Erfurt im Jahr 2022.

Über 25 Millionen Euro im Jahr 2022 – die mit Abstand höchste Summe, die ein Kulturbetrieb der Stadt Erfurt ausgeben kann.

Das meiste Geld fließt in Personalausgaben, insgesamt 18,846 Millionen Euro. Das Theater Erfurt beschäftigt: 2 Werkleiter, 171 Künstler, 131 weitere Mitarbeiter, 11 Auszubildende, insgesamt 304 VBE (sog. Vollbeschäftigteneinheiten). Wer wie viel verdient? Müsste ich recherchieren. „Auf die Angabe der Bezüge der Werkleitung wird gemäß § 286 Abs. 4 HGB verzichtet“, steht im Bericht (HGB Handelsgesetzbuch). Was Generalintendant und Betriebsdirektorin verdienen, bleibt also geheim.

Aus dem Teil „Wirtschaftsbericht“ dieses Zitat als zusammengefasste Selbstdarstellung:
„Das Theater Erfurt hat in den vergangenen Jahren ein hohes Maß an künstlerischer Qualität, an Akzeptanz beim Publikum und an Wirtschaftlichkeit erreicht.“
Ob das tatsächlich so ist?

Besucherstatistik

Im Jahr 2022 zählte das Theater Erfurt in 439 Veranstaltungen 130.872 Besucher, das entspricht einer Auslastung von 73,6 Prozent.

21 Aufführungen der Domstufenfestspiele besuchten 44.447 Menschen, Auslastung 99,99 Prozent. Die Festspiele bringen mit knapp 3 Millionen Euro Umsatzerlös rund zwei Drittel aller Umsatzerlöse des Theaters Erfurt im Jahr 2022.

52 Opern-Aufführungen im Großen Haus sahen 14.972 Gäste, Auslastung 44,4 Prozent.

Im Großen Haus bei großen Opernaufführungen bleiben oft viele Plätze frei.

34 Konzerte im Großen Haus hörten 15.524 Menschen, Auslastung 64,5 Prozent.

94 diverse Veranstaltungen in der StudioBox verfolgten 6.105 Besucher, Auslastung 73,9 Prozent.

Die ausführliche Besucherstatistik stelle ich gern zur Verfügung: ein Blatt mit vielen Zahlen aus dem „Bericht“.

Auszug aus der detaillierten Besucherstatistik. | Screenshots und Fotos von miplotex

Wie geht’s weiter? Dazu ist im „Bericht“ u. a. zu lesen: Die bisherigen Zuschüsse „werden von der Werkleitung als unzureichend für die Fortführung des Spielbetriebs  auf dem bestehenden hohen künstlerischen Niveau erachtet.“ 2023 sollen laut Finanzierungsvereinbarung 21,077 Millionen Euro Zuschüsse von Stadt und Freistaat in das Theater Erfurt fließen.

Der neue Finanzierungsvertrag für das Theater Erfurt bis zum Jahr 2032 liegt vor, ist aber noch nicht veröffentlicht und vom Stadtrat abgestimmt worden. Was von anderen Theatern in Thüringen an Zahlen und Fakten bekannt ist, so steigen die Zuschüsse weiter an.

Die „öffentliche Hand“ in Thüringen wird bis 2032 den laufenden Betrieb der 12 Theater und Orchester mit einem Milliardenbetrag, geschätzt bis zu 1,5 Milliarden Euro, fördern und finanzieren.

Für andere Kulturbetriebe in Thüringen, die von Städten, Gemeinden, Landkreisen und vom Freistaat mit Steuergeld finanziert werden, ist das vergleichsweise längst nicht so. Im Gegenteil.

PS
Ich bin ein Theatergänger. In eine Vorstellung des Theaters Erfurt gehe ich nur noch selten. Aber das ist hier nicht das Thema.

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