Geschlossene Vorstellung

Erst komme ich pünktlich und bin doch zu früh, dann bin ich zu spät dran. Der Werkausschuss (WA) Theater des Erfurter Stadtrates tagt hinter verschlossener Tür. Es geht lautstark zur Sache.

Das Theater Erfurt ist Stadtgespräch, aber selbst wenig gesprächig.

Wieder eine geschlossene Vorstellung, wie so oft, wenn es um den „Tanker“ Theater Erfurt geht. Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen. Zuhörende, berichtende Journalisten sind unerwünscht. Aber der Reihe nach.

Mittwoch Abend, 29. November, kurz vor 20 Uhr im Erfurter Rathaus, vor der Tür des Ratssitzungssaales. Drinnen und draußen im Gang ist ganz schön viel Betrieb. Drinnen geht’s um künftige Wirtschaftspläne von Unternehmen, an denen die Stadt Erfurt beteiligt ist. Ein langgedienter Stadtrat kommt aus der laufenden Sitzung und brummt laut hörbar: „So ein Durcheinander habe ich in 20 Jahren nicht erlebt.“

Was oder wer ist da durcheinander? Auf jeden Fall der Zeitplan, in dem die Wirtschaftspläne der städtischen Gesellschaften und Eigenbetriebe besprochen werden sollen. Offenbar gibt es jede Menge Gesprächsbedarf, zum Beispiel über den Wirtschaftsplan des ega-Parkes. Hier soll künftig der städtische Zuschuss, geht es nach dem Willen der Verwaltung, drastisch gekürzt werden. Stadträte widersprechen dem Ansinnen, höre ich auf dem Gang.

Der Werkausschuss Theater soll ab 20.00 Uhr planmäßig tagen. Ein Teil der Sitzung ist öffentlich. Da geht es um den neuen Theatervertrag der Stadt mit dem Land. Dazu weiter unten mehr. Ich frage den Erfurter Kulturdezernenten, zu dessen Geschäftsbereich das Theater Erfurt gehört, wann mit dem Sitzungsbeginn zu rechnen ist. Er zuckt mit den Schultern, vielleicht in 2 Stunden. Also gegen 22 Uhr.

21.47 Uhr. Ein bisschen spät im Erfurter Rathaus. Und doch zu spät.

Exakt um 21.47 Uhr bin ich wieder im Rathaus. Rein in den großen Ratssitzungssaal, der Werkausschuss tagt. Blicke (überrascht? irritiert? entsetzt?) begleiten mich zur Pressebank, von wo aus ich gewöhnlich das Geschehen verfolge. Im Saal sitzen, geschätzt, an die 50 Menschen. Dem WA Theater gehören 13 Mitglieder, 33 stellvertretende Mitglieder und 12 sachkundige Bürger an, also fast alle gewählten Erfurter Stadträte. Im Ratssitzungssaal sehe ich die beiden Werkleiter des Theaters, den Generalintendanten und die Verwaltungsdirektorin.

Wort- und Satzfetzen nehme ich in geschätzt 2 Minuten wahr. Erst eine Mitarbeiterin vom Beteiligungsmanagement (?) der Stadtverwaltung, die sich rechtfertigt. Irgendwas ist wohl schief gelaufen mit Beteiligung bzw. Nichtbeteiligung von wem oder was auch immer. Ein mir Unbekannter kommt auf mich zu. Wer sind Sie? Was wollen Sie? Ich stelle mich vor. Das ist eine nicht öffentliche Sitzung, so der Unbekannte. Nachgefragt: Und der öffentliche Teil? Bereits vorbei. Ich soll den Ratssitzungssaal sofort verlassen. Der Chef des WA Theater unterbricht kurz die Sitzung. Freundlich werde ich rausgeschmissen.

Werkausschuss Theater hinter verschlossener Tür.

Thema des öffentlichen Teils, den ich also verpasst habe, war die „Gemeinsame Finanzierungsvereinbarung Theater Erfurt 2025 bis 2032“, online veröffentlicht am 24.11.2023. Haben die Stadträte den Beschlussentwurf schnell durchgewunken? Keine Ahnung. Im Vertragsentwurf, Stand 12.07.2023 (!), stehen Millionenbeträge, mit denen das Theater Erfurt bis 2032 gefördert werden soll. Mit Steuergeld, um das deutlich zu sagen.

Von 2025 bis 2030, also für 6 Jahre, will die Stadt Erfurt das Theater mit 94.633.214,00 Euro subventionieren. Hinzu kommen 71.389.968 Euro Steuergeld aus dem Landeshaushalt. Hinzu kommt eine Theaterpauschale des Landes, die für das Jahr 2023 exakt 770.364,39 Euro beträgt und jährlich neu berechnet wird. Rechnet mal alles zusammen, so wird das Theater Erfurt von 2025 bis 2030 mit über 170 Millionen Euro öffentlichen Geldes gefördert, also jährlich mehr als 28 Millionen Euro. Hinzu kommen erwartete Umsatzerlöse von jährlich mehr als 5 Millionen Euro.

Aus dem Theatervertrag: So viel öffentliches Geld fließt für das Theater Erfurt.

Die öffentlichen Zuschüsse (Stadt und Land) an das Theater Erfurt betragen für 2022 (Ist-Zahlen) 20.865.261 Euro, für 2023 (Plan-Zahlen) 21.277.001 Euro, für 2024 (Plan-Zahlen) 21.832.094 Euro. Hinzu kommt, wie erwähnt, die Theaterpauschale des Landes. Alle Zahlen habe ich den genannten Entwürfen Theatervertrag und Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Theater Erfurt entnommen.

Das war für mich eine kurze Spätvorstellung im Werkausschuss Theater im Ratssitzungssaal. Die geschilderten Episoden, die Fakten und Zahlen, sollen ein bisschen mehr Transparenz herstellen, was hinter der geschlossen Tür, hinter der Fassade des Theaters Erfurt passsiert. Oder nicht passiert. Für jede Menge Gesprächsstoff und Spekulationen in der Stadtgesellschaft sorgt das Theater gerade selbst.

An den Themen bleibe ich dran, sammle Fakten und Zahlen, frage Menschen, verfolge öffentliche Sitzungen, lese veröffentlichte Dokumente (manchmal gut versteckt auf Websites). Und berichte hier weiter.

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