Wie haben die beiden neuen Werkleiter des Theaters Erfurt ihre ersten 20 Arbeitstage erlebt? Die Frage des Vorsitzenden des Werkausschusses Theater, Steffen Präger, an Christine Exel und Malte Wasem stand gar nicht auf der Tagesordnung der öffentlichen Sitzung am 21. Februar im Rathaus in Erfurt. Update über einen Theater- und Verwaltungsskandal.
Erste Antworten der amtierenden Verwaltungsdirektorin Christine Exel lassen ahnen und gruseln, was für ein Sumpf im Theater Erfurt trockengelegt werden muss. Eine „risikoorientierte Analyse“ mit Schwerpunkt Finanzen, Personal, Prozesse und Strukturen im Theater habe „erste Auffälligkeiten“ ergeben, formuliert die Diplom-Kauffrau ganz vorsichtig. Stadträte spitzen aufmerksam die Ohren, dem zuständigen Kulturdezernenten scheinen die Gesichtszüge zu entgleiten.
Es folgen Details. „Eine Kontrolle gibt es im Theater nicht“, sagt Frau Exel ganz deutlich. Sie nennt Einkauf und Vergaben von Leistungen, Unterschriftenregelung, ausstehende Quartalsberichte an den Werkausschuss (und monatlich an den Oberbürgermeister?). Es gebe „keine geteilten Verantwortlichkeiten“. Viele Sachen würden „autark“ bearbeitet, also allein entschieden und angewiesen (von wem wohl?). Sie spricht über die Zeit und die Verantwortung der alten Theater-Werkleitung, also bis zur Freistellung von Generalintendant Guy Montavon und Verwaltungsdirektorin Angela Klepp-Pallas, durch den Stadtrat am 31. Januar 2024.
Noch mehr Details und Fakten. Es gab bisher keine Kosten-Leistungsrechnung im Theater, keine Verantwortung für Kosten und Leistungen bei den Abteilungsleitern. Die Abteilungsleiter Personal und Finanzen haben mittlerweile das Theater verlassen. Auf Nachfrage eines langjährigen Stadtrates konkretisiert die neue Verwaltungsdirektorin: „Ein Controlling war im Theater gar nicht vorgesehen.“ Diese Aussage: Ist das nicht ein Hammer?
Kulturdezernent Knoblich, sichtbar nervös geworden bei den deutlichen Worten der neuen Verwaltungsdirektorin, beschwichtigt. Er spricht von „mangelhafter Betriebsführung“ und „das ist bitter“. Nachfrage eines Stadtrates an ihn: Wie soll das 3-Millionen-Defizit des Theaters ausgeglichen werden? Antwort Knoblich: „Wir sind damit beschäftigt.“ Und: „Wir fahren auf Sicht.“ Das Rechnungsprüfungsamt der Stadtverwaltung prüft aktuell mit 4 Mitarbeiterinnen (von insgesamt 12 im Amt) Wirtschaftsführung und Finanzen (und was sonst noch?) im Theater Erfurt.
Der öffentliche Teil der Sitzung des Werkausschusses Theater am 21. Februar dauert ca. 30 Minuten. Mir scheint (und Stadträte bestätigen Tage danach meinen Eindruck), dass da viele neue, konkrete Informationen zur desaströsen Wirtschaftsführung im Theater Erfurt ans Licht kommen. Es gibt ja einen mehrfach öffentlich ausgetragenen Konflikt zwischen ehrenamtlichen Stadträten im Werkausschuss Theater und im Stadtrat sowie der Stadtverwaltung, dem Oberbürgermeister und Kulturdezernenten: Wer ist für die Kontrolle des Eigenbetriebes Theater Erfurt zuständig und verantwortlich? Das ist ein Thema, an dem ich dranbleiben und weiter recherchieren werde.
Mittlerweile ist eine dritte Anwaltskanzlei, PwC, mit externen Untersuchungen zum Geschäftsbetrieb des Theaters Erfurt beauftragt worden. Kennt PwC das „Gutachten Theater Erfurt“ der anderen Rechtsanwaltskanzlei und die Handlungsempfehlungen an die Stadtverwaltung Erfurt? Da ist von „nicht abschließend ermittelter Tatsachengrundlage für das vorwerfbare Verhalten“ die Rede. Konkret sollte „insbesondere den Mutmaßungen um die strafrechtlich relevanten Vermögensdelikte nachgegangen werden.“ Und: „Die Ermittlungen … sind mit der gebotenen Eile weiter voranzutreiben…“ Was heißt das? Da muss noch mit zeitlichem Hochdruck weiter ermittelt werden.
Passiert das gerade?
Transparenzhinweis
Die öffentliche Sitzung des Werkausschusses Theater am 21. Februar abends im Erfurter Rathaus habe ich als einziger Journalist verfolgt. Berichterstatter der Lokalzeitung und des MDR waren nicht vor Ort, ihre Berichte vom 23. Februar beruhen auf anderen Quellen.