Weimar gehört zu den herausragenden deutschen Orten, wo politische Geschichte geschrieben wurde. Die Tradition der „Weimarer Republik“ soll künftig permanent präsentiert und vermittelt werden.
Vor 95 Jahren erwachte das kleine Weimar aus einem Dornröschenschlaf. Am 21. Januar 1919 verkündete die Reichsregierung, die verfassungsgebende Nationalversammlung nach Weimar einzuberufen. Bereits am 6. Februar konstituierte sich die Versammlung der 423 Abgeordneten im Deutschen Nationaltheater.
Eine neue Ausstellung im Stadtmuseum erzählt die Geschichte und Geschichten über die „Demokratie aus Weimar. Die Nationalversammlung 1919“, die den Ort für 197 Tage in einen Ausnahmezustand versetzte. Der Kurator und Direktor des Stadtmuseums, Alf Rößner, hat in dreijähriger Arbeit ungezählte zeitgeschichtliche Originale und Dokumente zusammengetragen, Modelle bauen und Medienpräsentationen erstellen lassen. Er hat mit einem vergleichsweise kleinen Budget eine sinnliche und informative Ausstellung gebaut.
Der erste Eindruck ist überwältigend, die Fülle der Objekte und Informationen muss der Besucher erst einmal aufnehmen, sortieren und einordnen. Auf der zentralen Sichtachse in der Ausstellung begegnen sich mit gehörigem Abstand Kaiser Wilhelm II. und Friedrich Ebert Auge in Auge, der letzte Monarch und der erste Präsident. Zwei Porträts, die das politische Spannungsfeld 1918/19 symbolisieren. Der Erste Weltkrieg bildet den Einstieg in die Präsentation mit Bildern wie „Erste Siegesnachricht“ und „Todesnachricht“, dem in Weimar bei Kiepenheuer verlegten Buch „Der Heilige Krieg“, mit Orden erst aus Gold und Silber, zum Kriegsende aus Blech.
Warum Weimar? Weil die „Kleinstadt ruhiges, konzentriertes Arbeiten ermöglichte“, weil nur „eine geringe Gefahr revolutionärer Unruhen bestand“, weil der „klassische humanistische Geist die Wandlung des politischen Geistes sichtbar machen sollte.“ Für die Bürger der Stadt bedeutete die Nationalversammlung einen Ausnahmezustand. Rigorose Sicherheits- und Ausweiskontrollen, über 4.000 Soldaten. Privathäuser wurden als Quartiere genutzt, weil Hotelbetten fehlten. Der Versammlungsort, das Deutsche Nationaltheater, wird im damaligen Bauzustand als Modell 1:100 rekonstruiert, der Tagungsraum virtuell reproduziert.
Die Nationalversammlung war ein Mega-Medienereignis. Über 1.000 Journalisten besuchten Weimar, der extra eingerichtete „Zeitungs-Flugdienst Berlin-Weimar“ sorgte täglich für neue Zeitungen. Ein provisorisches Telegraphenamt wurde errichtet. Am 31. Juli 1919 verabschiedete die Nationalversammlung die Verfassung des Deutschen Reiches. Erstmals wehten die Farben der Demokratie Schwarz-Rot-Gold vor dem Nationaltheater. „Der große Tag des deutschen Volkes“ wird in einem historischen Film aus dem Bundesfilmarchiv lebendig.
Fünf Jahre soll die Ausstellung stehen. Und dann, zum 100. Jubiläum? Museumsdirektor Alf Rößner gibt die Frage an Stadtkulturdirektorin Julia Miehe weiter. Das Projekt „Haus der Demokratie“ geistert seit Jahren durch die Stadt. Ein Museum und „Lernort der Demokratie“ gegenüber dem Nationaltheater, wo jetzt noch das alte Bauhaus-Museum steht? Oder in das Areal des ehemaligen Gauforums integriert? Als Dependance des Deutschen Historischen Museums? Land und Bund sind hier gefordert, Flagge zu zeigen, die Farben der Demokratie, die 1919 in Deutschland in Weimar erstmals zu sehen waren. (mip)
Stadtmuseum Weimar, Karl-Liebknecht-Straße 5-9 / geöffnet Di-So 10-17 Uhr. Im Laufe der Ausstellung erscheint ein Katalog.